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Einen Querschnitt durch die St. Petersburger Film-, Musik- und Theaterszene bietet ab heute das Festival „Alternativa St. Petersburg“
von JULIAN WEBER
Vor exakt 300 Jahren wurde die Stadt St. Petersburg gegründet. Inzwischen ist sie nicht nur zweitgrößte Metropole Russlands, sondern auch Partnerstadt von Hamburg. Ein Anlass, der für „Alternativa St. Petersburg“, ein inoffizielles Kulturfestival genutzt wird. Man widmet sich den hierzulande unbekannten Seiten der russischen Stadt und bietet dem jungen Film, der unabhängigen Musik- und Partykultur und dem Avantgarde-Theater ein Forum. „Wir wollen mit unserem Programm in erster Linie gegen Klischees ankämpfen“, sagt Alexander Mirimov, ein 31-jähriger, in Hamburg lebender Russe, der zum sechsköpfigen Veranstaltungskollektiv zählt. „Es gilt, andere Russlandbilder zu schaffen und zu zeigen, dass es ein junges und alternatives St. Petersburg gibt.“
Im Gegensatz zum offiziellen Moskau sei St. Petersburg von jeher die Schattenhauptstadt gewesen, eine Heimat für Andersdenkende und Eigenbrötler. Bereits zu Sowjetzeiten gab es einen funktionierenden Dissidentenunderground. Nach der Wende folgte eine kurze Periode, in der westliche Kulturformen intensiv wahrgenommen wurden. „Bücher, Filme, Musik, alles kam auf einmal“, erinnert sich Mirimov. Die prekäre wirtschaftliche Situation führte dazu, das sich die postkommunistische Alternativszene stärker auf sich selbst besinnen musste. Im Moment werden von den Jungen die eigenen Wurzeln wiederentdeckt: Avantgardetraditionen der zwanziger Jahre leben wieder auf, ebenso wie offizielle Kunst- und Kulturpositionen des späten Sozialismus. Mit diesen Inhalten würde gespielt, diese Gefäße könne man mit neuen Positionen anreichern, sagt Mirimov.
In Hamburg werden Bands wie das Volkov Trio Aufführungen seltener Stummfilme musikalisch begleiten, so zum Beispiel Der Mantel, ein expressionistischer Stummfilm aus dem Jahre 1926 der Petersburger Gruppe FEKS (Fabrik des exzentrischen Schauspielers). Vor einer richtigen Konzertkulisse und mit DJs, gilt es die Band Marktscheider Kunst zu entdecken. Ihr Stil wechselt zwischen russischen Chansons, Ska und Punk. Ihr afrikanischer Sänger textet in Deutsch, Russisch und afrikanischen Sprachen.
Um das Aufbrechen von Sprachbarrieren geht es in Kuckuck, einem Film von Alexander Rogozhkin. Am Ende des Zweiten Weltkrieges treffen ein finnischer Kriegsgefangener, eine samische Bäuerin und ein Rotarmist in der Tundra aufeinander und versuchen über die eigenen Erfahrungshorizonte hinweg zu einer Verständigung zu finden. Der Regisseur erzählt die Geschichte vor atemberaubender Naturkulisse, geduldig und mit entwaffnendem, nie aufdringlichem Humor.
Ernst, geradezu asketisch ist das Erscheinungsbild der Theatergruppe Derevo. In der Tradition eines Antonin Artaud stehend und im androgynen Einheitslook, machen die beiden Männer und Frauen „totales Theater“. In dem Stück Inseln im Strom sprechen Körper. Rituelle Energie und groteske Bewegungen ersetzen das Gesprochene.
Das Veranstaltungskollektiv von „Alternativa St. Petersburg“ ist in Hamburg übrigens keine unbekannte Größe. Seit zwei Jahren veranstalten sie mit dem Datscha-Projekt bereits Parties und machen Kinoabende im Metropolis. Ähnliches gibt es höchstens in Berlin, wo Vladimir Kaminers mit seiner „Russendisko“ das Nachtleben revolutionierte. „Wenn Kaminer Microsoft ist, ist, das, was wir machen Apple,“ sagt Alexander Mirimov.
Eröffnung (Datscha-Party mit Tanz in den Mai): heute, ab 22 Uhr, Schauspielhaus, Malersaal; Film Süd-Grenze: Sa, Uhr, Metropolis; Derevo: Sa + So, 20 Uhr, Malersaal; Volkov-Trio und Auktyon: Fr, 9.5., 21 Uhr, Fabrik; weitere Termine siehe: www.datscha-projekt.de