: Wie viele Schafe sind das?
Hüten, Füttern, Schlachten: Das Schäferleben ist unaufgeregt. Und oft einsam. Deshalb wollte eine Grafikdesignerin als Schäferin arbeiten. Fotografieren will sie weiterhin – nun auch ihre Schafe
Stefanie Weiland (37) studierte Grafikdesign und Kunst, anschließend belegte sie einige Kurse für die Grafikprogramme. An sich arbeitet sie aber als Schäferin.
„Innerlich wollte ich nie als Grafikdesignerin arbeiten. Zuerst dachte ich, dass die anthroposophische Landwirtschaft interessant wäre, ich las Rudolf Steiner und wollte in der Natur leben, habe auch Bilder über die Natur gemalt. Eine Bekannte brachte mich zur Marienhöhe bei Bad Saarow – ein Anthroposophenhof, auf dem 20 Leute leben und arbeiten. Da war gerade ein ‚Möhren-Wochenende‘: Wir haben alle mit der Hacke Unkraut gejätet. Danach habe ich auf einem Anthroposophenhof in Mecklenburg gearbeitet, wo es sehr hektisch und stressig zuging: Ständig kamen Besuchergruppen, die bekocht werden wollten. Dort bin ich darauf gekommen, dass Schäferin das Richtige für mich wäre. Wenn man sechs Jahre als Schäferin arbeitet, bekommt man das als Lehre anerkannt.
So bin ich auf einen Hof in die Lüneburger Heide gekommen. Sie hatten dort 2.000 Schafe und vier Schäferinnen, ich habe als Praktikantin den ganzen Tag ohne Pause im Stall arbeiten müssen und Stroh, Wasser und Kraftfutter rangeschleppt. Es war gerade Ablammzeit. Die Schäferinnen waren sehr verschlossen und hatten Angst, dass ihre Autorität ins Wanken geriet, wir haben wenig geredet. Für drei Tage war ich bei einem anderen Schäfer beschäftigt. Der hat gesagt, die Schafe müssen im Winter einen Stall haben, das finde ich aber Quatsch, sie fühlen sich draußen in der Herde viel wohler.
Danach habe ich in einer Schäferei in Röther bei Leipzig gearbeitet. Der Besitzer, seine Freundin, ein Lehrling und ich – wir haben 1.000 Schafe versorgt in ganzjähriger Hütehaltung ohne Stall, aber mit Zufütterung. Insbesondere die 400 Moorschnucken waren sehr nett. Ich bin sowieso meistens lieber mit Tieren als mit Menschen zusammen. Röther liegt in einem Naturschutzgebiet, aber in der Nähe ist eine Autobahn, die ständig Krach macht. Und wenn ich am Fluss gehütet habe, kamen ständig Spaziergänger oder Radfahrer vorbei, denen man Rede und Antwort stehen musste: ‚Wie viel Schafe sind denn das?‘
Ich habe viel allein gelebt, eigentlich bin ich eine Peinlichkeit für Revolutionäre, weil ich gerne in meine Bilder abtauche und nie gelernt habe zu streiten. Die anthroposophische Landwirtschaft finde ich inzwischen zu sektenhaft, dafür kann ich mich immer noch für die utopische ‚Phalanstère‘-Idee von Charles Fourier begeistern, wo man mal in dieser und mal in jener Kommune arbeitet. Ich befürchte jedoch, dass mein Wunsch, allein zu sein, dort zu kurz kommt. Ich möchte auch nebenbei weiter Kunst machen – fotografieren. Von der Schäferei in Röther habe ich zehn Filme mitgebracht. Geschlachtet habe ich auch, das gehört dazu. Kennst du den Schäferwitz Nummer neun?:
Es war einmal ein Schäfer, der einsam seine Schafe hütete. Plötzlich hielt neben ihm ein Cherokee Jeep. Der Fahrer war ein junger Mann in Brioni-Anzug, Cherutti-Schuhen und Ray-Ban-Sonnenbrille, er stieg aus und sagte zum Schäfer: ‚Wenn ich errate, wie viele Schafe Sie haben, bekomme ich dann eins?‘ Der Schäfer überlegte kurz und sagte: ‚In Ordnung‘. Der junge Mann nahm sein Notebook aus dem Jeep, verkabelte es mit seinem Handy, ging im Internet auf eine Nasa-Seite, scannte die Gegend mit dem GPS-Satellitennavigationssystem ein und öffnete eine Datenbank mit 60 Excel-Tabellen. Dann spuckte sein Minidrucker einen langen Bericht aus, den er durchlas. ‚Sie haben hier 1.586 Schafe!‘ sagte er. Der Schäfer antwortete: ‚Das ist richtig, suchen Sie sich ein Schaf aus‘. Der junge Mann packte sich ein Tier und lud es in seinen Jeep. Als er sich verabschieden wollte, sagte der Schäfer zu ihm: ‚Wenn ich Ihren Beruf errate, geben Sie mir dann das Schaf zurück?‘ ‚Abgemacht‘, meinte der sportliche, junge Mann. Der Schäfer sagte: ‚Sie sind ein Mc-Kinsey-Unternehmensberater !‘ – ‚Das ist richtig, wie haben Sie das so schnell rausbekommen?‘ – ‚Ganz einfach‘, erwiderte der Schäfer, ‚erstens kommen Sie hierher, obwohl Sie niemand gerufen hat, zweitens wollen Sie ein Schaf als Bezahlung dafür, dass Sie mir etwas sagen, was ich ohnehin schon weiß, und drittens haben Sie keine Ahnung von dem, was ich mache, denn Sie haben sich meinen Hund geschnappt.‘ “
PROTOKOLL: ANJANA SHRIVASTAVA