: Dudelstandort Nummer eins
Der Rechtssenat krempelt Hamburgs Medienrecht komplett um. Privatsender dürfen künftig senden, was sie wollen. Der Offene Kanal verschwindet ab Sommer für ein halbes Jahr, bevor er in Diensten der Media School wieder senden darf
von PETER AHRENS
Aus Sicht der FDP bricht in Hamburg „der medienpolitische Frühling“ aus, wie ihr medienpolitischer Sprecher im Bund, Hans-Joachim Otto, gestern jubelte. Der Frühling wird auch die letzte Jahreszeit in diesem Jahr sein, die der Offene Kanal in dieser Stadt noch genießen kann. Wenn das von den Liberalen so gefeierte geänderte Hamburger Mediengesetz, das der Senat gestern billigte, noch vor der Sommerpause in Kraft tritt, wird dem Bürgerfunk zumindest bis Jahresende der Saft abgedreht. Dafür haben aber alle privaten Hamburger Hörfunksender künftig freie Hand, auf eigenproduzierte Wortbeiträge oder Nachrichten zu verzichten. Mit dem neuen Gesetz werden sämtliche Vorschriften dieser Art abgeschafft.
Trotz aller Proteste der NutzerInnen wird der Offene Kanal (OK) ab dem kommenden Jahr, so verkündete der Chef der Senatskanzlei, Volkmar Schön, der in Gründung befindlichen halbprivaten Media School angegliedert. Die fast 900.000 Euro Rundfunkgebühren, die bisher dem OK zur Verfügung standen, wandern ebenfalls in die Hand des neuen Betreibers.
Vorwürfe, damit werde ein Schwarz-Schill unliebsamer Kanal politisch diszipliniert, wies Schön zurück. Der Senat habe „keinen Einfluss auf die Inhalte der Sendung“. Es gehe ihm allein um die Verbesserung der Qualität, besonders des Fernsehbereiches: „Wenn ich sehe, dass da jemand mit unruhiger Kamera sein privates Happening abfilmt, ist das für mich nicht qualitativ hochwertig.“ Zudem halte der Senat es „für keine Förderung der Integration von Ausländern, wenn fremdsprachige Sendungen ausgestrahlt werden“.
Im Hörfunkbereich des OK dagegen gebe es jetzt schon „gute und verdienstvolle Programme“. Bis die Media School so weit sei, den Betrieb des Bürgerfunks zu übernehmen, werde er komplett abgeschaltet, machte Schön klar.
Der Vorstand der Landesmedienanstalt HAM, die bislang den Offenen Kanal trägt, wird darüber hinaus massiv verkleinert und der Einfluss der Medienwirtschaft auf das Gremium ausgebaut. Es sei nicht mehr zeitgemäß, „alle relevanten gesellschaftlichen Gruppen im Vorstand zu vertreten“, befindet Schön. Als Teil des Gesamtkonzeptes, dass „die weitgehende Liberalisierung und Selbstverantwortung“ zum Ziel habe.
Schwerpunkt dieser Deregulierung ist das Abschaffen sämtlicher Auflagen über Inhalte und Formate für die privaten Sender. „Nicht jeder Anbieter muss künftig das ganze Spektrum anbieten“, formuliert Schön. So werde nicht mehr darauf geachtet, wie viel Wortanteil in den Programmen vorkomme: „Die Zeit des Minutenzählens ist vorbei.“ Man werde lediglich noch eingreifen, „wenn wir den Eindruck haben, da spielt jemand nur noch seine CDs ab“.
Aus der Perspektive der Opposition ist damit dem Dudelfunk Tür und Tor geöffnet. „Gerade die kleinen Sender werden dieses Angebot wahrnehmen und Redaktionen abbauen“, befürchtet der GAL-Medienpolitiker Farid Müller. Die Landesregierung habe kein Mandat, „den Programmauftrag des Grundgesetzes einfach abzuschaffen“. Müller kündigte an, den Gesetzentwurf genau auf seine Verfassungskonformität zu prüfen.