: Erlebte Gewalt auf Postkarten
„Mädchen machen Politik“: Bremer Girlies vertrauen dem Bürgerschaftspräsidenten ihre Sorgen und Wünsche an
taz ■ Jetzt, keine vier Wochen mehr vor der Wahl, ist die hohe Zeit der Verbände und ihrer Wahlprüfsteine. Zum Glück erheben dabei auch Kinder und Jugendliche ihre Stimme. Gestern erschienen rund dreißig Mädchen aus Jugendprojekten, Schulen und Kirchengemeinden im Landtag, um sich Gehör zu verschaffen. Gemeinsam überreichten sie dem Präsidenten der Bremischen Bürgerschaft, Christian Weber, 350 Postkarten mit ihren ganz persönlichen Wünschen und Erwartungen an die Politik. Weber versprach seinen Besucherinnen, die Karten an die Abgeordneten weiterzuleiten.
Angeregt wurde die Postkartenaktion vom „Arbeitskreis Mädchenpolitik“. Der hat sich zur Aufgabe gemacht, erstmals im Vorfeld einer Wahl ein öffentliches Forum für Mädchen herzustellen. Gleichzeitig sollen Mädchen motiviert werden, sich stärker in die Politik einzumischen. An dem jüngsten Projekt beteiligten sich vor allem Mädchen zwischen 9 und 15 Jahren.
Die von Hand geschriebenen Karten sind zum Teil sehr bewegend – so bittet ein kurdisches Mädchen darum, dass ihre Familie nicht abgeschoben wird. „Meine Schwester und mein Papa sollen in Deutschland bleiben dürfen“, schreibt sie. „Ich möchte Deutsch lesen und schreiben lernen, ich habe kein eigenes Land. Ich bin Kurdin.“
Die Landesfrauenbeauftragte Ulrike Hauffe zeigte sich beeindruckt und besorgt. „Auf den Postkarten kommt viel erlebte Gewalt zum Ausdruck“, sagte Hauffe.
In der Tat: „Weniger Gewalt, Krieg und Misshandlung“ ist eine der Hauptforderungen der Mädchen. Doch das Spektrum der Wünsche ist größer: Es reicht vom eigenen Pferd über mehr Naturschutz, die Gleichberechtigung von Mädchen und Jungen bis zur Schaffung von Arbeitsplätzen. Die Girlies vom Freizeitheim Lesum etwa forderten „mehr Ausbildungs- und Arbeitsplätze, mehr Freizeiteinrichtungen für Mädchen, Geld für die Schulen – und Frieden auf der Welt“.
Die Mädchen näherten sich der Politik mit der Aktion auf individuelle Art und Weise: Die 14-jährige Milena Heinrich etwa schrieb aus den Ergebnissen der Auswertung der Postkartenaktion einen Raptext und performte ihn in der Bürgerschaft.
Eine starke Lobby hatten gestern im Parlament auch die „Gewitterziegen“: Die Jugendlichen traten dafür ein, dass der von der Schließung bedrohte „Treffpunkt für Mädchen und junge Frauen“ erhalten bleibt. Solange die Finanzierung nicht gesichert ist, wollen die Mädchen weiter kämpfen. Laura Garde