: Ein Grantler aus Kurpfalz
Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten: Altkanzler Helmut Kohl stimmte mit den ihm eigenen Schimpfkanonaden auf den politischen Gegner die Bremer CDU auf die heiße Wahlkampfphase ein
taz ■ Erst hieß es, die Veranstaltung sei ein innerparteilicher „Motivationsabend“. Doch die Bremer CDU wollte sich wohl nicht nachsagen lassen, für den Bürgerschaftswahlkampf erst motiviert werden zu müssen. Jedenfalls nannten die Christdemokraten den Auftritt Helmut Kohls am Montagabend jetzt „Einstimmungsabend“ oder, besonders einfallsreich, „Bremen-Abend“. Gut 3.000 handverlesene Gäste kamen in die Messehalle 7, um dem Altkanzler und frisch geouteten Kirch-Lobbyisten zu huldigen. Das Bier kostete nur einen Euro, ein schmissiger Werbetrailer lobpries die Politik der Bremer CDU, und das „Perschau-Team“, fesche junge Menschen mit teuren Brillen, zeigte seine blauen Poloshirts vor.
Doch so sehr sich die CDU-Wahlkampfmanager ums hippe Outfit mühten, im Mittelpunkt des Abends stand ein Altherren-Triumvirat: Helmut Kohl, CDU-Landeschef Bernd Neumann und Spitzenkandidat Hartmut Perschau posierten zum Schluss sogar Arm in Arm auf der Bühne, ehe – wie zu seligen Zeiten der Kohl-CDU – stramm das Deutschland-Lied geschmettert wurde. Der Rest der Partei war Zierrat: Die Senatoren Hattig und Böse wurden artig begrüßt, gut gebaute Bürgerschaftsabgeordnete wie Jörg Jäger oder Claas Rohmeyer wurden als Hobby-Bodyguards eingespannt, die – mit wichtiger Miene und Knopf im Ohr – Kohl abschirmen mussten. Die „starken Frauen“ der CDU wiederum wurden von Perschau zwar „ganz, ganz herzlich“ begrüßt, durften aber ansonsten nur beflissen lächeln und mit anderen Bürgerschaftskandidaten Schilder mit dem Slogan „Viel getan, viel zu tun“ emporrecken.
Bei Kohls Einzug stimmte die Bühnenkapelle ein paar Takte „Ein Jäger aus Kurpfalz“ an, und irgendjemand schüttete dem Ehrengast ein Glas Wein übers Haupt: „Die Linken sind auch nicht mehr das, was sie einmal waren“, reagierte der spöttisch. Früher sei er wenigstens mit Eiern oder Stinkbomben empfangen worden. Hardcore-Kohlianer Bernd Neumann begrüßte den Altkanzler mit einer Attacke auf dessen Nachfolger: „Herr Schröder ist als Kanzler eine Zumutung für Deutschland, er verkörpert nahezu das Gegenteil von Helmut Kohl – das sehen die Bremer Sozialdemokraten mit Henning Scherf genauso“, rief er aus. Nicht umsonst würden die Schröder in Bremen nicht öffentlich auftreten lassen.
Kohl selbst schickte seinem Parforceritt durch die deutsche Innen- und Außenpolitik zwar – mit Krokodilstränen in den Augen – voraus, er habe keine Freude daran, die Politik seines Amtsnachfolgers zu kritisieren. Dann aber hagelte es die sattsam bekannten Kohlschen Verbalinjurien. Man fühlte sich zurückversetzt ins schwarz-weiße Weltbild der Bonner Republik. Die Politik der rot-grünen Bundesregierung erklärte Kohl abwechselnd für „dümmlich“ oder „töricht“, für „eine Schande“ oder für „sozialistische Verirrungen“. Schröder unterstellte er gar eine „an Wilhelm den Zweiten erinnernde bramarbasierende Gestik“. Besonders der Aufstieg von Joschka Fischer zum Außenminister der Bundesrepublik Deutschland scheint Kohls Ego zu kränken. Mehrmals wetterte er gegen „Leute, die früher Turnschuhe getragen und Steine geworfen haben und jetzt in der warmen Staatskarosse sitzen und Exzellenz sind“. Schließlich empörte sich Kohl auch noch über „dümmlichen Kulturpessimismus“, den er allerorten wittert. Man finde ihn nicht nur „auf den Kathedern mancher Hochschulen“, sondern auch „auf mancher Kanzel“, wo Leute stünden, die „gar nichts mehr vom Beten verstehen, aber ihren politischen Seich mit in die Kirche bringen“.
Draußen vor der Halle standen derweil zwei junge Punks mit Pappschildern, auf denen sie „Ficken für Deutschland“ und „Drogen für alle“ propagierten. „So was sollte man wegsperren“, schäumte ein CDU-Schlipsträger. Und erinnerte sich wehmütig an den Satz, den Hartmut Perschau zuvor in den Saal gedonnert hatte: „Mit uns wird es weder Fixerstuben noch die Vergabe von Drogen an Abhängige geben.“ Die CDU habe in punkto innere Sicherheit „wieder Ordnung geschaffen in Bremen“. Markus Jox