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Archiv-Artikel

Justizskandal mit wenig Folgen

Dem Münchner Richter, der einen Vergewaltiger laufen ließ, droht eine Disziplinarstrafe

MÜNCHEN taz ■ Nach ihrer Vergewaltigung in einer Münchner Kaserne ist eine ehemalige Bundeswehranwärterin erneut Opfer geworden, diesmal Opfer der Justiz. Sie habe „bestürzt“ darauf reagiert, dass der vom Landgericht zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilte Exsoldat wegen der Schlamperei des Vorsitzenden Richters laufen gelassen wurde, sagte ihr Anwalt Leonhard Graßman der taz: „Das ist der worst case für die Justiz.“

Der 64-jährige Strafkammervorsitzende am Landgericht, Eduard Krapf, ließ nach dem Schuldspruch im August 2002 über fünf Monate verstreichen, bis er das Protokoll der Hauptverhandlung unterschrieb. Diese Verzögerung sei „weder nachvollziehbar noch hinnehmbar“, watschte das Oberlandesgericht (OLG) den Richter ab: Der Angeklagte befinde sich 2 Jahre in Untersuchungshaft. 5 Monate hiervon beruhten ausschließlich auf der „nachlässigen Sachbehandlung“ durch den Richter. Die Schlamperei verschleppte das Revisionsverfahren beim Bundesgerichtshof. Trotz bestehender Fluchtgefahr gab das OLG deshalb der Haftbeschwerde von Ronny P. statt. Die Staatsanwaltschaft kämpfte vergeblich dagegen, dass der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt wurde.

Nur wenn Ronny P. gegen die Meldeauflagen verstößt, muss er vor Abschluss des Revisionsverfahrens wieder ins Gefängnis. Während der Leiter der Staatsanwaltschaft die Freilassung als „nahezu zwingend“ bezeichnete, kritisierte der Nebenkläger Graßmann die OLG-Entscheidung. Es bestehe eine „abstrakte Wiederholungsgefahr“. Außerdem habe der Angeklagte mit seinem Verteidiger den Prozess selbst mit einer Flut von Anträgen um Monate verlängert. Warum Krapf kurz vor seiner Pensionierung zum 1. Juli das Protokoll verbockte, ist allen ein Rätsel.

Gestern wurden Vorermittlungen für ein Disziplinarverfahren wegen „verzögerlicher Sachbehandlung“ eingeleitet. Dies hatten auch die Grünen ins Spiel gebracht. Allerdings ist der Sanktionskatalog begrenzt. Es bleibt nur die Kürzung seiner Pension. OLIVER HINZ