: Fernsehkultur
Bei Arte gibt es seit neuestem Kulturnachrichten. Täglich um 20 Uhr.Kann sich die „Tagesschau“ jetzt auf Schröder und Küblböck konzentrieren?
VON JENNI ZYLKA
Manchmal weiß man nicht, wer schlimmer ist: Der besorgte Fernsehschaffende oder der besorgte Fernsehzuschauer. Der eine will am liebsten jedem seiner holden Gebührenzahler den Bauch pinseln und entschuldigt damit überteuerte Fußball-Übertragungsrechten, Volksmusik und den Hüstel-hüstel-Aufreger der letzten Tage, der Küblböck-Carambolage-Meldung in den Prime-Time-Nachrichten. Der andere wettert, seit er gucken kann, gegen das verflachende Programm, das sinkende Niveau, mit dem er als Idealzuschauer natürlich nichts zu tun hat (und für das er auch nichts kann), die schwindende Kultur.
Die Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin hatte darum am „Kulturpolitischen Aschermittwoch“ auch gleich die richtigen Hotspots aufs Podium geladen, um den Ernst der Lage zu demonstrieren: ZDF-Chef Thomas Bellut und ARD-Chef Günter Struve auf der einen, die Schriftstellerin Marlene Streeruwitz, der Lyriker Marcel Beyer und der Komponist Wolfgang Rihm auf der anderen Seite. Mit dabei war noch die Filmproduzentin Katharina Trebitsch und Ringrichter Gerd Scobel. Thema: „Wie viel Kultur verträgt das Fernsehen?“
Kulturnachrichten, so die Ministerin Christina Weiss in ihrer Eröffnungsrede düster, seien vor allem die „Nachricht vom Tod“ – wenn ein Künstler im Fernsehen porträtiert werde, dann vor allem anlässlich seines Ablebens. Herr Scobel schlug daraufhin vor, erst einmal den Begriff „Kultur“ zu definieren. Inmitten des folgenden munteren Streitgesprächs läuteten immer wieder Struves und Belluts Stunden: Wie solle man auch, mit dem schweren Bildungsauftrag, gegen den „Unterhaltungstaumel“ der privaten Sender bestehen? Außerdem habe man ein Vollprogramm zu füllen, für ein größtunterschiedliches Publikum, und das gehe eben nun mal nicht mit Kultur in Reinform. Der Hinweis auf die vermaledeite Quote (man kann bekanntlich weder mit ihr noch ohne sie) klang da fast nach Hohn. Abgesehen davon, schoben die ARD- und ZDF-Chefs noch zu Recht nach, werde von den Kulturstreitern aus der Zuschauerfraktion immer gern übersehen, dass fast in jedem Nachrichtenmagazin, in jeder „heute“-Sendung ein Stückchen Kultur vorkommt.
So stritt man weiter, ließ das Publikum zu Wort kommen – alles aufrechte, wackere StreiterInnen für vollständige Theater- und Operübertragungen zur besten Sendezeit. Aber Recht hatte und behielt die TV-Fraktion mit ihrem Hinweis auf die extra als solche gekennzeichneten Kulturprogramme Arte und 3Sat: Was hindert den mündigen Zuschauer daran, diese Sender in seine Fernbedienung zu programmieren, gar auf Platz eins und zwei, wenn er lustig ist?
Im Nachhinein blieb vom kulturpolitischen Aschermittwoch ein bisschen das Turmbau-zu-Babel-Gefühl – eine Menge Menschen missverstehen sich, weil sie unterschiedliche Sprachen sprechen. Denn ob zu wenig oder sogar zu viel Kultur im Fernsehen stattfindet, das liegt nun mal – glücklicherweise – einzig und allein im Auge des Betrachters.
Angemerkt muss noch werden, dass seit einigen Wochen eine tägliche Kulturnachrichtensendung zur absoluten Hochzeit (20 Uhr) auf Arte versucht, an die aktuelle Berichterstattung anzuknüpfen. Zwar immer noch leicht ver-konzipiert (zu viele Beiträge, zu viel Moderation in zu kurzer Zeit), aber immerhin.