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Archiv-Artikel

Mai, Fest, Spiele

Erstmals seit langem beteiligten sich am 1. Mai mehr Menschen an den Kreuzberger Festen als an den Demonstrationen. Alleine zum Mariannenplatz kamen 20.000. Die Organisatoren loben die Polizei

Es war ein Geräuschpegel, wie er kreuzbergerischer nicht hätte sein können. Redebeiträge, Punkrock, Hundegebell, laute Unterhaltungen, klappernde Bierbüchsen auf den Straßen. Der Kreuzberger 1. Mai fand diesmal nicht auf seinen Demos statt, sondern auf seinen Festen. Alleine am Mariannenplatz waren bis zum Abend etwa 20.000 feiernde Menschen zusammengekommen.

Mit diesem Verlauf des 1. Mai ist das Kalkül von Cornelia Reinauer aufgegangen, auch wenn es am Abend noch zu Auseinandersetzungen mit der Polizei gekommen ist. Auf neun Bühnen zwischen Oranienplatz, Heinrichplatz und Mariannenplatz wollte die Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg den „revolutionären Kampftag“ von seiner Randalelogik befreien. Was von den Organisatoren der beiden Demonstrationen als Versuch einer „Befriedung“ kritisiert wurde, haben die Kreuzberger und Kreuzbergerinnen ganz anders gesehen. Sie haben sich gestern die Straßen ihres Kiezes zurückerobert.

Nicht nur rund um den Mariannenplatz, auch in der Oranienstraße. Auch nachdem die erste der beiden Demonstrationen vom Oranienplatz losgezogen war – die Straße blieb voller Menschen. An den Gehsteigen wurde Bratwurst verkauft, türkische Kids waren mit Einkaufswägen unterwegs und verkauften Bier, Cola und Wein. Das gleiche Bild auch in den umliegenden Straßen. So voll war Kreuzberg lange nicht mehr. Es war ein revolutionärer Sonntagsspaziergang, der in der Oranienstraße zelebriert wurde, während die „revolutionäre“ Demo mit etwa 10.000 Teilnehmern am Paul-Lincke-Ufer entlangzog.

Cornelia Reinauer war über die Beteiligung auf dem Kreuzberger Fest gestern sichtlich glücklich. „Am Anfang waren viele noch skeptisch, aber dann zogen alle mit, die Gewerbetreibenden, die Migrantenorganisationen. Wenn es uns gelingt, das auch im nächsten Jahr fortzusetzen, ist das ein toller Erfolg.“

Besonders freute sich Reinauer über das Abschlusskonzert auf dem Mariannenplatz mit dem türkischen Rockstar Haluk Levent. „Das wird ein richtiges Ereignis, gerade weil hier auch so viele Migranten an diesem Tag zusammengekommen sind.“

Dass am Erfolg des gestrigen 1. Mai auch die Polizei beteiligt war, betonte der Organisator des Mariannenplatzfestes, der PDS-Abgeordnete Steffen Zillich. „Es ist auch der Erfolg der Polizei, die unsere Strategie nicht torpediert hat.“

Das sah der stellvertretende Landesvorsitzender der PDS, Udo Wolf, ähnlich. „Wir konnten im Grunde fortsetzen, wofür das Personenbündnis von Peter Grottian im vergangenen Jahr den Grundstock gelegt hat.“ Das gelte auch für die Polizei. „Nicht nur bei der Polizeiführung, sondern bei der Polizei insgesamt hat ein Umdenkprozess eingesetzt.“

Trotz der Randale im Mauerpark in Prenzlauer Berg vom Vorabend und am 1. Mai abends waren die wenigsten Polizisten mit Kampfmontur unterwegs. Selbst auf Vorkontrollen hatten die Beamten in Kreuzberg diesmal verzichtet. UWE RADA