: „Die Mehrheit hat das Sagen – ihre Gesetze sind zu akzeptieren“
Die Palästinenserführung muss klarstellen, dass ein Teil des Landes ein jüdischer Staat ist, mahnt Scharons Sicherheitsberater Dan Meridor. Machmud Abbas traut er dies nicht zu
taz: Wie schätzen Sie die Chancen ein für die Umsetzung des „Fahrplans zum Frieden“?
Dan Meridor: Das Problem ist die Existenz Israels als jüdischer Staat. Unser Partner muss verstehen, dass ein Teil des Landes ein jüdischer Staat sein wird. Ein jüdischer Staat, in dem Araber wohnen. Und es wird einen palästinensischen Staat geben, in dem auch Juden wohnen. Die Mehrheit hat das Sagen. Wenn ein Jude dort bleiben will, muss er die Gesetze der Mehrheit akzeptieren.
Scharon hat Verhandlungen mit Palästinenserpräsident Arafat immer abgelehnt. Welche Erwartungen knüpfen Sie an die neue palästinensische Regierung unter Abbas?
Wenn ich einen Vertrag unterschreibe, muss ich wissen, dass mein Partner auch in der Lage ist, seine Verpflichtungen einzuhalten. Die Frage, die sich für Israel stellt, ist: Gibt es einen Menschen oder eine Gruppe, die in der Lage ist, die Gebiete zu kontrollieren? Ich meine, dass es heute keine Führung gibt, die noch kontrollieren könnte. Arafat hat ein Chaos hinterlassen.
Glauben Sie nicht, dass Israel für das Chaos mindestens mitverantwortlich ist?
Okay, ja. Im Westjordanland, nachdem wir immer wieder beschossen worden sind und Terroristen geschickt wurden, mussten wir etwas tun. Wir sind heute sicherheitstechnisch in einer viel besseren Lage als früher. Der Terror ist noch nicht zu Ende, aber dramatisch beschnitten. Aber wenn ich morgen Dschenin in die Hände der Palästinenser übergebe – und glauben Sie mir, ich will weder Dschenin, Ramallah oder Tulkarem besetzen, ich will raus –, dann muss ich sicher sein, dass hinter mir niemand mit dem Gewehr steht, um mir in den Rücken zu schießen.
Das heißt also, dass derzeit kein Abzug möglich ist?
Um den Konflikt zu beenden, müssen schwierige Fragen geklärt werden, etwa Jerusalem, das Rückkehrrecht, der Grenzverlauf. Das hat das Nahost-Quartett mit seinem Friedensplan versucht. Ich halte es dennoch für extrem schwierig, zu einer Einigung zu gelangen. Aber denkbar wäre, dass man emotionale Fragen auf später verschiebt und sagt: Wir gründen jetzt einen palästinensischen Staat auf einem Teil des Gebietes. Ob das 20, 40 oder 60 Prozent des Landes sind, sei vorerst dahingestellt. Dann setzen wir die Verhandlungen von einer völlig neuen Ausgangsposition fort: Zwei Staaten, die einen Konflikt über ein Stück Land haben, ähnlich wie Israel und Syrien, die miteinander um den Golan streiten. Damit würden wir eine praktische Lösung schaffen, mit der die Palästinenser von der israelischen Besatzung befreit würden. Gleichzeitig muss keine der beiden Seiten auf ihre Träume oder Überzeugungen verzichten. Das zu erreichen, halte ich für realistisch.
Vorausgesetzt, die Gewalt wird beendet …
Sollten wir erkennen, dass wir auch mit der neuen palästinensischen Regierung keinen Partner haben, müssen wir einseitige Maßnahmen ergreifen, sprich: den Rückzug aus einem Teil der besetzten Gebiete und die Errichtung einer von uns festgelegten provisorischen Grenze. Ich bin gegen diesen Weg, der als Kapitulation interpretiert werden könnte. Der Vorteil ist, dass beide Völker getrennt würden.
Würden dabei Siedlungen evakuiert?
Möglich. Fest steht, dass wir uns für einen dieser Wege entscheiden müssen. Gar nichts zu tun, würde Israel große demografische Probleme bereiten. In etwa zehn Jahren wird die arabische Bevölkerung die jüdische zahlenmäßig eingeholt haben. Das bedeutet, dass ohne eine Teilung perspektivisch entweder die Demokratie Israels oder der Zionismus bedroht ist.
INTERVIEW: SUSANNE KNAUL