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Archiv-Artikel

usa und haiti Mini- Engagement

Die Haiti-Krise eskaliert, vor den Küsten der USA bahnt sich ein Flüchtlingsdrama an – und die Regierung Bush übt sich in Untätigkeit und Zynismus. Eine Militärintervention schließt das Weiße Haus aus. Der Einsatz des Präsidenten beschränkt sich darauf, den Haitianern klar zu machen, dass Flüchtlinge in den USA nicht willkommen sind. Chefdiplomat Colin Powell führt Telefonate mit der UNO und mit Paris, das ohnehin längst die Initiative übernommen hat.

KOMMENTAR VON MICHAEL STRECK

Die zögerliche US-Haltung entspringt einem Dilemma: Entweder Washington stützt den haitianischen Präsidenten Jean Bertrand Aristide, obwohl ihm von Washington selbst Korruption und Gewalt gegen politische Gegner vorgeworfen wird. Oder die Bush-Administration lässt Aristide fallen und akzeptiert damit, dass ein demokratisch gewählter Staatschef gewaltsam gestürzt wird. Dies liefe dem erklärten US-Grundsatz zuwider, Demokratie fördern zu wollen.

Das aktuelle Versagen im Krisenmanagement steht in scharfem Kontrast zu den Bemühungen Bill Clintons im Jahre 1994. Damals verhalfen die USA Aristide nach einem Putsch mit einer hochkarätigen diplomatischen Misson, die einen Friedensplan ausarbeitete, wieder an die Macht und schickten tausende US-amerikanische Marineinfanteristen auf die Insel. Amerika galt als Hoffnungsträger für die Haitianer auf dem Weg zur Demokratisierung ihres Landes. Nunmehr ruhen die Hoffnungen allenfalls auf einer unentdeckten Flucht zur Küste Floridas.

Das minimalistische Engagement muss für die lateinamerikanischen Nachbarn der USA ein weiteres Zeichen sein, wie stark das Desinteresse der US-Regierung mittlerweile an ihrem Kontinent ist. Und das bei einem Präsidenten, der bei seinem Amtsantritt gelobt hatte, enge Bande zwischen der übermächtigen Supermacht und ihrem „Hinterhof“ knüpfen zu wollen. Das fand nicht statt. Stattdessen fühlen sich heute alle Staaten südlich von Texas verraten.

Dabei würden im Fall Haitis wahrscheinlich einige hundert US-Soldaten ausreichen, um für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Es ist kaum vorstellbar, dass das Pentagon diese nicht auftreiben kann. Allein der politische Wille fehlt. Die Botschaft von Bushs Außenpolitik ist klar: Für geopolitische Ambitionen ziehen die Vereinigten Staaten in den Krieg. Zur Lösung humanitärer Katastrophen und politischer Krisen in Armenhäusern stehen wir nicht mehr zur Verfügung.

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