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Archiv-Artikel

Fledermäuse ohne Stammbaum

Bahrenfelder will Flugsäugern ein neues Heim schaffen – mit viel Engagement und Fledermausurin

Sie war ein ganz besonderer Baum, die alte Kastanie auf dem Spielplatz im Paciusweg bei der Kieler Straße. Breitflügelfledermäuse, Zwergfledermäuse und Große Abendsegler hatten es sich dort bereits seit vielen Generationen gemütlich gemacht, Junge geboren und einen Ruheort gefunden. Nur zum Winterschlaf hatten sie die Kastanie regelmäßig verlassen.

Diesmal jedoch werden sie ihren Stammbaum nicht mehr vorfinden. Die marode Kastanie musste gefällt werden, die Fledermäuse sind heimatlos. Besonders schlimm ist dies für die Weibchen. Sie werden kurz vor dem Winterschlaf begattet und treten nach dem Aufwachen Anfang März den Heimatflug an, um in gewohnter Umgebung ihre Jungen zur Welt zu bringen. Finden sie ihr Quartier nicht wieder, geraten sie in Panik, werden, wie auch die Männchen, Zuflucht in Heizungskellern oder in Wohnungen in der Nähe des Paciuswegs suchen. Und einige der Fledermaus-Weibchen werden sterben, weil sie dieser Stresssituation nicht stand halten können.

Ein Szenario, das nicht nur Anwohner erschüttert, die am Kastanienstumpf bereits Blumenkränze niederlegten. Es rief auch Werner Smolnik auf den Plan. Der Bahrenfelder ist Projekt-Leiter in den Bereichen Technik und Naturschutz bezogen auf Fledermäuse im Naturschutzbund (Nabu) Altona. Gemeinsam mit straffällig gewordenen Jugendlichen, die hier ihre Arbeitsauflagen erfüllen, wird er in den nächsten Tagen aus den übriggebliebenen Kastanienstücken neue Fledermausbehausungen zimmern. „Am Geruch können die Tiere die alten Baumstücke wiedererkennen und werden sich teilweise dort wieder einnisten“, hofft der 57-Jährige. Drei Häuschen sind geplant, die auf dem Spielplatz in die dem alten Heim nächstgelegenen Bäume gehängt werden, damit sich die Tiere zurechtfinden können.

Zuvor werden die Holzstücke zusammengefügt und ausgehöhlt. Und weil durch diese Bearbeitung der Geruch der Fledermäuse verloren geht, benutzt Smolnik ein „besonderes Anlockverfahren“: Er legt kleine Toilettenpapierstücke in die Behausungen, auf die andere Fledermäuse zuvor uriniert haben. Dadurch erhalten die Tiere „ein besonderes Heimatgefühl und nisten sich dort ein“. Die Befürchtung jedoch, dass einige Fledermäuse dem neuen Refugium nicht trauen und es nicht annehmen werden, bleibt. Sollten sich daher demnächst einige der kleinen Flugsäuger in anliegende Wohnungen verirren, rät der Fachmann, die Fenster auf Kipp zu stellen, damit die Tiere wieder hinaus fliegen können.

Smolnik selbst ist mit Fledermäusen als Hausgenossen bestens vertraut. Schließlich leben etwa zwölf in seiner ausgebauten Speisekammer – hauptsächlich kranke oder verletzte Tiere, die von Tierschutzvereinen oder Feuerwehrwachen in seine Obhut gegeben wurden. Und ihm die Treue halten: „Jetzt ist es sogar so, dass die ehemals kranken Tiere andere Fledermäuse, die sie im Freien treffen, zu mir mit nach Hause nehmen“, erzählt der gelernte Bauingenieur, der seine geflügelten Untermieter nicht mehr missen möchte. Weniger passionierte Fledermausfreunde können sich bei flatterhaftem Besuch direkt an Werner Smolnik, Nabu Altona, ☎ 85 65 51, wenden. Kristin Jankowski