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Archiv-Artikel

Keine posthume Versöhnung

Dem Begräbnis des kroatischen Exgenerals Janko Bobetko bleiben Präsident und Regierung fern. Spannungen zwischen Mitte-links- und konservativem Lager

Das konservative Lager sieht in Bobetko einen Kriegshelden und „guten Kroaten“

SARAJEVO taz ■ Ein langer Autokorso bewegte sich gestern von Zagreb in die südlich gelegene Stadt Sisak. Tausende Menschen wollten dem am Dienstag gestorbenen General Janko Bobetko das letzte Geleit geben. Doch der Präsident Kroatiens, Stipe Mesić, weigerte sich. Und auch die von Sozialdemokraten geführte Regierung war abwesend. Wie schon oft in den letzten Jahren zeigte sich bei diesem Anlass der tiefe Graben zwischen den beiden politischen Lagern in Kroatien, der auf die Integration nach Europa ausgerichteten Mitte-links-Regierung und dem konservativen und nationalen Lager, dessen Repräsentanten gestern zahlreich versammelt waren.

Dabei hätte der Tod des Generals beide Seiten zusammenführen können. Denn Bobetko hat eine bewegte Vergangenheit hinter sich. Der in der Region Sisak 1919 geborene Ex-Generalstabschef war im Zweiten Weltkrieg vom kroatischen Ustascha-Regime zu den Partisanen gewechselt. 1945 war er Oberst der Jugoslawischen Volksarmee, später übte er hohe Funktionen aus, so als politischer Chef der jugoslawischen Flotte und Ausbilder an Offiziersschulen. Nach dem kroatischen demokratischen Frühling 1971 erlebte er einen Karriereknick und wurde von Staatschef Tito in Pension geschickt.

Mit der serbischen Aggression gegen Kroatien 1991 tauchte der Militär wieder auf. Als Stabschef der kroatischen Armee war er dann die nächsten vier Jahre der militärische Kopf bei der Rückeroberung der serbisch besetzten Gebiete in Kroatien.

Bis heute unklar geblieben ist, warum der damalige Präsident Franjo Tudjman seinen General Bobetko vor der entscheidenden Offensive 1995 absetzte und in Pension schicke. Dass er Ende der 90er-Jahre ein Buch mit dem Titel „Alle meine Schlachten“ schrieb, hat ihn für das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag interessant gemacht. Bobetko gab nämlich pikante Details und Dokumente über das Engagement Kroatiens im bosnischen Kriege preis, die bislang geheim waren und seinen damaligen Präsidenten belasteten.

Wie auch ihn selbst. Vor zwei Jahren sollte er nach Den Haag ausgeliefert werden. Doch angesichts seines schlechten Gesundheitszustandes weigerte sich die sozialdemokratische Regierung. Für die Konservativen war das nicht genug. Sie sehen in Bobetko einen Kriegshelden und „guten Kroaten“. Für die HDZ und einen Großteil des Militärs war der Krieg 1991–95 ein „Vaterländischer Verteidigungskrieg“. Eine Zusammenarbeit mit Den Haag komme nicht in Frage, argumentierten ihre Vertreter, weil die Armee für die Befreiung des Landes gekämpft habe.

Exsoldaten demonstrierten 2001, als andere Militärs wie die Generäle Gotovina und Norac nach Den Haag ausgeliefert werden sollten. Norac wurde zwar verhaftet, vor Gericht gestellt und wegen Teilnahme an der Ermordung von Serben in Rijeka inhaftiert. Der mit ähnlichen Vorwürfen konfrontierte Gotovina dagegen ist bis heute untergetaucht.

Dass die Mitte-links-Regierung bis heute nur bosnische Kroaten, nicht jedoch Kroaten aus Kroatien an Den Haag ausgeliefert hat, zeigt, dass selbst die Fünfparteienkoalition in der Frage der Auslieferung von mutmaßlichen kroatischen Kriegsverbrechern gespalten ist. Wer nach Europa wolle, müsse sich dem internationalen Recht beugen, betonte dagegen Präsident Stipe Mesić mehrmals. Und so ist es nur logisch, dass er an einer politischen Kundgebung des nationalen Lagers am Grabe Bobetkos nicht teilnehmen konnte.

ERICH RATHFELDER