Die Ole-Partei zweifelt am großen Sieg

Am letzten Tag des Wahlkampfes in Hamburg ist die Zuversicht bei Bürgermeister Ole von Beust gebröckelt. Im taz-Interview leistet er der FDP erste Hilfe, indem er sie zum Wunschpartner erklärt. Eine absolute Mehrheit der CDU scheint nun unrealistisch

aus HamburgSVEN-MICHAEL VEIT

Ole von Beust sagt nie etwas einfach nur so dahin, selbst wenn er seinen Plauderton nicht verlässt. Sollte er sein Wahlziel der absoluten Mehrheit verfehlen, „ist der Wunschpartner die FDP“, verkündet Hamburgs CDU-Bürgermeister heute im Interview mit der taz hamburg. „Die Perspektive, dass CDU und FDP dann über die 50 Prozent kommen, ist gut.“ Mit diesen Aussagen räumt er ein, dass seine Zuversicht auf die Alleinregierung im Stadtstaat an der Elbe arg geschwunden ist.

Insgeheim fürchtet von Beust, dass auch der geschasste Innensenator Ronald Schill mit seiner neuen Partei ProDM den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde schafft. Deshalb leistet der Bürgermeister nun Wahlhilfe für den bisherigen Koalitionspartner FDP, der seit Wochen mit schwarz-gelber Arithmetik um Leihstimmen bettelt. Wegen der Fünf-Prozent-Hürde gelte für CDU und FDP zusammen, „45 Prozent plus 4 sind 45“, rechnet FDP-Spitzenkandidat und Noch-Schulsenator Reinhard Soltau vor. „44 plus 5 aber sind 49.“ Auch von Beust bestätigt gerne: Dass er mit den Liberalen gut könne, „ist kein Geheimnis“. Zu befürchten hat der Bürgermeister von einem dankbaren Mehrheitsbeschaffer FDP nichts.

Inzwischen hat dem Bürgermeister gedämmert, dass „die Neuwahlentscheidung mit dem gewissen Risiko verbunden ist, das Amt zu verlieren“. Nein, der Rauswurf Schills aus dem Senat sei „keine kalkulierte Entscheidung“ gewesen, obwohl von Beusts Popularitätswerte danach in enorme Höhen schnellten. „Es war keine geplante Geschichte“, beteuert von Beust im Interview, „dass ich am Ende als Sieger dastehe: Was im Nachhinein wie Kalkül aussieht, ist ja oft überhaupt nicht so geplant.“

Sollte freilich Schill anstelle der Liberalen erneut in die Bürgerschaft einziehen, dürfte die Mehrheitsbildung schwierig werden – als Koalitionspartner ist der Exsenator für Beusts CDU ebenso Persona non grata wie für SPD und Grüne. Schwarz-Grün aber, seit Wochen immer wieder mal Gegenstand von Spekulationen, hält von Beust für wenig verheißungsvoll: „Das würde in manchen Punkten sehr schwierig werden“, vermutet er, „die Frage ist: Was ist mit den wirtschaftlichen Großprojekten?“ Die grüne Spitzenkandidatin Christa Goetsch sieht es ähnlich: „Ich sehe da nichts, was trägt, die Übereinstimmungen mit der CDU liegen im Nano-Bereich.“ Außerdem, stellt Goetsch klar, haben die Grünen nicht vergessen, was der Rechts-Senat zwei Jahre lang in Hamburg so trieb: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir uns auf einen Stuhl setzen, den Schill angewärmt hat.“

Eine große Koalition mit der SPD und deren Spitzenkandidaten Thomas Mirow hingegen hält von Beust für „programmatisch und fachlich wahrscheinlich möglich“. Allerdings berge sie Zündstoff, denn die Sozialdemokraten würden früher oder später „alles versuchen, die Koalition wieder zum Brechen zu bringen“, so seine Vermutung. Die SPD habe „bis heute ihr strategisches Problem nicht geklärt. Sie hat noch immer nicht akzeptiert, dass sie nur die Nummer zwei ist. Aus ihrer Sicht ist es immer noch ein Betriebsunfall, dass sie 2001 abgewählt wurde“.

Diese Einschätzung mochte SPD-Spitzenmann Mirow am Freitag im Interview mit der taz hamburg so nicht bestätigen. Gleichwohl sei es „sicher“ ein psychologisches Problem für die SPD, Juniorpartner der CDU zu sein. Zudem sei eine große Koalition nicht mehr als „eine Notlösung“. Auf keinen Fall würde er sich „auf einen unwürdigen Wettbewerb“ mit den Grünen um die Gunst der CDU einlassen. Es sei an der CDU, in einem solchen Fall zu sagen, „welche Koalition sie anstrebt“. Er wäre, so Mirow, bereit, Gespräche zu führen, „aber parallele Verhandlungen der CDU mit den Grünen und uns wird es nicht geben“.

Muss es vielleicht auch nicht. In der gestrigen Forsa-Umfrage (siehe Kasten) lagen CDU auf der einen und Rot-Grün auf der anderen Seite gleichauf bei 44 Prozent. Vor allem aber sanken die Werte für von Beust: Nur noch 48 Prozent würden bei einer Direktwahl für den Titelverteidiger stimmen, sieben Prozent weniger als in der Vorwoche. Die Siegeszuversicht des Ole von Beust bröckelt nicht von ungefähr.

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