: BA-Jobbörse beschäftigt Staatsanwalt
Strafverfolger gehen Verdacht der Untreue bei der Bundesagentur für Arbeit nach. Beim „virtuellen Arbeitsmarkt“ sollen Aufträge über 15 Millionen Euro ohne Genehmigung vergeben worden sein. Ausbau der Internet-Jobbörse liegt vorerst auf Eis
VON ANDREAS SPANNBAUER UND FLORIAN OEL
Die Internet-Stellenbörse der Bundesagentur für Arbeit (BA) sorgt tatsächlich für Beschäftigung – zumindest für die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth. Die Ermittler prüfen, ob beim Aufbau des so genannten Virtuellen Arbeitsmarkts (VAM) Gelder veruntreut worden sind. Ein Ermittlungsverfahren gegen konkrete Personen sei jedoch noch nicht eingeleitet, teilte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft gestern mit. Der Vorstandsvorsitzende der BA, Frank-Jürgen Weise, hatte den Ausbau der Online-Jobbörse Mitte der Woche wegen explodierender Kosten überraschend gestoppt und Korruption bei der Auftragsvergabe nicht ausgeschlossen. Die Innenrevision der BA hatte die Staatsanwälte schon am Montag über entsprechende Verdachtsmomente informiert.
Interne Prüfungen der BA haben ergeben, dass die Kosten für den Ausbau des Virtuellen Arbeitsmarktes bis zum Jahr 2008 auf rund 165 Millionen Euro gestiegen wären – das sind rund 100 Millionen Euro mehr, als ursprünglich mit der Beratungsgesellschaft Accenture vereinbart worden war. Außerdem soll nach Angaben von BA-Chef Weise bei einigen Aufträgen die Genehmigung der zuständigen Vergabestelle nicht vorliegen – allein hier geht es um 15 Millionen Euro.
Der zuständige Projektleiter Jürgen Koch wurde bereits von seinen Aufgaben entbunden. Allerdings könne Koch „kein individuelles Fehlverhalten“ nachgesagt werden, betonte eine Sprecherin der BA. Der weitere Ausbau der Online-Jobbörse liegt vorerst auf Eis. Die BA will nun prüfen, ob die Zusammenarbeit mit Accenture fortgesetzt werden kann oder ein neuer Partner gesucht werden muss. In Nürnberg hat man aber kaum noch Hoffnung, dass die Kosten bei einem neuen Anbieter wesentlich niedriger ausfallen könnten.
Der VAM war bereits in der Vergangenheit in die Kritik geraten. Er besteht aus der Internet-Stellenbörse und internen Vermittlungs- und Beratungssystemen der Arbeitsämter. Die bisher vorgesehene Verknüpfung der beiden Systeme ist nun ausgesetzt. Schon nach seinem Start am 1. Dezember 2003 war das System zusammengebrochen; später lieferte die Suchfunktion häufig unbrauchbare Ergebnisse. Eine Untersuchung des Branchendienstes Crosswater vom Dezember kam zu einem ernüchternden Ergebnis. So sollte das Internet-Angebot, die Stellenanzeigen von privaten Jobbörsen und Unternehmen zusammenführen – doch die Überprüfung ergab, dass nur 2,9 Prozent der Stellenangebote nicht aus dem Bestand der BA stammten.
Private Jobbörsen hatten den VAM von Anfang an scharf kritisiert. Auch Jörn von Lucke vom Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung, der sich auch mit Verwaltungs-Internetportalen beschäftigt, hält es für sinnvoll, das Projekt grundsätzlich zu überprüfen. „Vielleicht kann man doch auf bereits bestehende Lösungen zurückgreifen.“ Dabei müssten alle Möglichkeiten untersucht werden. „Es muss auch die Option bestehen, ganz aufhören zu können.“
Die CDU will Wirtschaftsminister Wolfgang Clement sowie BA-Chef Weise im Bundestagsausschuss für Arbeit zu der Affäre befragen. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Hartmut Schauerte hatte in einem Schreiben an den Bundesrechnungshof vom 8. Dezember auf mögliche Unregelmäßigkeiten bei der Auftragsvergabe hingewiesen. Der für den VAM verantwortliche BA-Vorstand Heinrich Alt war im Verwaltungsrat im Januar um Auskunft über die steigenden Kosten gebeten worden. Im Wirtschaftsministerium, das die Rechtsaufsicht über die BA inne hat, wusste man nach eigenen Angaben erst seit vergangenem Wochenende von den Vorgängen. „Alles wird rückhaltlos aufgeklärt“, sagte eine Sprecherin. Man wolle aber den Bericht des Verwaltungsrats abwarten. Vorstandschef Weise habe das „volle Vertrauen“ des Ministers.
In der Nürnberger Behörde fängt man mit dem Sparen an: Die BA prüft den Umzug ihrer Hauptstadtvertretung in billigere Räume. Sie war erst vor einem Jahr vom damaligen Vorstandschef Gerster eingeweiht worden.
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