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Archiv-Artikel

Börsencrash-Kurs

Grüne Parlamentarier erklären ihrer Parteibasis zur Vorbereitung auf das Superwahljahr 2009 die Finanzkrise

STUTTGART taz ■ Man stelle sich vor, es ist Wahlkampf. Und unter grünen Sonnenschirm mit Sonnenblume erklären Atomkraftgegner dem Bürger, wie Asset-Backed-Security-Fonds Milliardenlöcher in deutsche Bankbilanzen rissen.

Die Finanzkrise wird eines der Schlüsselthemen in kommenden Wahlkämpfen sein, und die Grünen bereiten ihre Basis darauf vor. Exemplarisch am Samstag in Stuttgart: Knapp dreißig Basisgrüne diskutieren mit den Finanzexperten ihrer Partei über die grüne Interpretation des globalen Schlamassels. Dazu stricken bundesweit junge Politiker wie Gerhard Schick oder der neu-Grüne und Mitbegründer von Attac in Deutschland, Sven Giegold, an Netzwerken grüner Finanzpolitiker.

Die Zusammenhänge sind – das ist klar – kompliziert. In Stuttgart beginnt der Finanzexperte der Landtagsfraktion, Eugen Schlachter, beim schwäbischen Häuslebauer: Dessen US-amerikanisches Pendant wechselte begünstigt von billigen Krediten bisher seine Häuser wie Deutsche ihre Autos. Um Kreditforderungen untereinander handeln zu können, wandeln Banken diese in Wertpapiere um. Kredite werden zum Spekulationsobjekt und ihre Wertsteigerung entkoppelt sich vom realen Gegenwert. Dieser besteht in den Forderung etwa gegenüber den Häuslebauern. Das funktionierte bis die Blase platzte. Und sich die Wut auf die Banker entlud.

Populistisches Banker-Bashing möchte der grüne Finanzexperte Gerhard Schick aber vermeiden. Stattdessen sagt er Sätze wie: „Es ist eigentlich nicht falsch, dass eine deutsche Bank Geschäfte mit so was macht“, also mit Immobilienkrediten. Auch Rating-Agenturen behandelt er differenziert: Sie bewerten im Auftrag von Banken die Qualität von Finanzprodukten und werden oft für die Krise verantwortlich gemacht, weil sie zu spät vor deren Risiken warnten.

Die Kritik der Grünen zielt auf eine Analyse des Systems. Beispielsweise mangele es Rating-Agenturen an Unabhängigkeit. Schließlich werden sie von den Banken bezahlt, die sie prüfen. Dass Finanzmärkten transparenter und auf europäischer Ebene reguliert werden sollen, sowie ökologische Investitionsprogramme sind weitere grüne Forderungen. Momentan fallen isländische Banken unter isländische Aufsicht, auch wenn sie in Deutschland um Kunden werben. „Verbraucherschutz für Finanzen“, fordern die Grünen. Außerdem solle das G-8-Treffen der sieben großen Industrienationen und Russland um den Kreis von Schwellenländern auf eine G 20 erweitert werden, um eine neue, globale Finanzverfassung zu erarbeiten, langfristig unter dem Dach der Vereinten Nationen. INGO ARZT