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Archiv-Artikel

Mental recht müde

Nur Manager Rudi Assauer sorgt beim 0:0 zwischen seinem FC Schalke und dem VfB Stuttgart für Aufregung

STUTTGART taz ■ Wenn der 23. Mann mit weitem Abstand der beste Akteur auf dem Platz ist, sagt dies viel über das fußballerische Niveau einer Partie. Florian Meyer aus Burgdorf, einer der jungen Bundesliga-Schiedsrichter, seit zwei Jahren auch international im Einsatz, erhielt nach dem tristen Nachmittag im Gottlieb-Daimler-Stadion jedenfalls höchstes Lob von Manfred Amerell, dem Aufpasser aus dem Schiedsrichterausschuss. Acht gelbe Karten, vier für die Stuttgarter (Bordon, Cacau, Heldt und Tiffert), weil die sich mit unbotmäßigem Einsatz Respekt verschaffen wollten; vier für den Besuch aus Gelsenkirchen, weil Vermant, Kobiaschwili, Altintop und der polnische Abräumer Hajto mit taktischen Fouls oder gar Notbremsen das fünfte zu null hintereinander über die Zeit retten mussten.

Jede dieser Verwarnungen hatten sich die Sünder redlich verdient, ein einfaches Urteil also für Florian Meyer. Der Unparteiische brauchte lediglich sein gelbes Kärtchen zu zeigen, keiner verlangte von ihm, dass er gut Fußball spielen oder gar Tore schießen sollte. Auf diesem Gebiet haperte es nämlich bei beiden Mannschaften, bei Schalke 04 noch viel mehr als bei den derzeit mental recht müden Schwaben. Als Jupp Heynckes nach positiven Schlüssen aus der Stuttgart-Reise gefragt wurde, holte er sich Argumentationshilfe aus der Bilanz des ganzen Winters: „Wir haben in neun Spielen drei Gegentreffer bekommen, das spricht für Torwart Rost und die defensive Organisation unserer Mannschaft.“ Außerdem lobte Schalkes Trainer die „sauberen Jungs“ und den „einwandfreien Charakter“. Auch mehr oder weniger aussortierte ehemalige Führungskräfte wie die Polen Hajto und Waldoch würden sich dabei vorbildlich verhalten, nachdem der junge Thomas Kläsener und der Däne Christian Poulsen deren Plätze in der Hintermannschaft übernommen hätten. Heynckes: „Wir leben ja in einer Leistungsgesellschaft.“

Um die Leistung von Rudi Völlers Nummer drei im Tor zu beschreiben, bleiben nur zwei Szenen. Einmal köpfelte ihm Kuranyi den Ball direkt in die Hände. Und in der 78. Minute schob ihm der Schweizer Marco Streller die Kugel gegen das rechte Bein, anstatt richtig draufzuhauen oder mit einem sauberen Pass das fast sichere 1:0 einzuleiten. Auf der anderen Seite musste Timo Hildebrand, in der derzeit kräftig debattierten Torhüterhierarchie auf dem Rang hinter Rost platziert, überhaupt keinen einzigen Ball parieren.

Schon deshalb passte Rudi Assauers Spruch, wonach es noch nie so leicht war, in Stuttgart zu gewinnen, nicht unbedingt zu den sportlichen Kräfteverhältnissen. Der Manager hätte liebend gern an jener Stätte einen Erfolg gefeiert, wo er mittlerweile als Staatsfeind gilt. Dass sich weder Trainer Magath noch die zwei Jungnationalspieler Hinkel und Kuranyi von ihm unters Dach der Arena AufSchalke locken ließen, und VfB-Abwehrchef Marcelo Bordon wohl erst ab Sommer 2004 dort seine vier Millionen Euro pro Jahr abholen kann, haben dem Selbstbewusstsein von Mister Schalke stark zugesetzt. Seither mosert Assauer, wann immer er kann, am Stuttgarter Modell und der Rolle des Teammanagers Magath herum. „Sie werden schnell erleben, dass diese Kiste schief geht.“

Magath ließ sich von den verbalen Pöbeleien in einem Interview am Tag des Spiels nicht provozieren oder auf einen Nebenkriegsschauplatz locken: „Wenn ich auf die Tabelle schaue, stehen wir klar vor Schalke; und das, obwohl die einen sehr guten Trainer und einen Manager haben.“ Magath sieht ganz andere Prioritäten. Er müsse möglichst schnell das Kopfproblem bei den Spielern lösen, diese Verunsicherung speziell beim Torschuss, an der Kondition könne es nämlich nicht liegen. Fatalerweise hat diese mentale Lähmung gerade jene Leute befallen, die als Protagonisten der „jungen Wilden“ in der Vorrunde für Temperament und Überraschungen gesorgt haben. „Von Hleb, Hinkel und Kuranyi hat unser Spiel gelebt, jetzt spielen sie verkrampft.“ Gegen einen solchen Prozess gebe es keine Wundermittel. Nur eines wolle er tun, so Magath: „Wieder mehr mit den Spielern reden.“

MARTIN HÄGELE