: G 15 kritisieren Industriestaaten
Beim G-15-Gipfel der Entwicklungsländer gibt es bei Protesten gegen Venezuelas Präsidenten Chávez Tote und Verletzte. Appell für stärkere Süd-Süd-Kooperation
BUENOS AIRES taz ■ So hatte Venezuelas Präsident Hugo Chávez seinen Auftritt nicht geplant. Zum Gipfel der G 15, einer Gruppe von mittlerweile 19 Schwellen- und Entwicklungsländern aus Asien, Afrika und Lateinamerika, blockierten seine Gegner die Hauptstadt Caracas.
Nahe des Hilton-Hotels, wo die Gipfelteilnehmer wohnten, kam es zu heftigen Straßenschlachten zwischen Polizei und Demonstranten. Dabei starb mindestens eine Person. Nach Behördenangaben wurden mehr als 50 Personen verletzt, die meisten durch Schüsse. Die Regierung beschuldigte die Opposition, die Straßenschlacht bewusst provoziert zu haben. Trotzdem: Chávez' Auftritt als erfolgreicher Außenpolitiker war vermasselt.
Die angereisten Staats- und Regierungschefs nahmen von den Krawallen Notiz, baten darum, demokratische Formen einzuhalten und gingen zur Tagesordnung über. In seiner Eröffnungsrede rief Chávez dazu auf, die Freihandelsabsichten der EU und der USA abzulehnen. Denn trotz aller Freihandelsrhetorik subventionierten die reichen Staaten ihre eigenen Industrien und schützten ihre Märkte mit hohen Außenzöllen.
Die Vertreter der Entwicklungsländer drängten darauf, den Handel zwischen den Ländern der so genannten Dritten Welt zu steigern und die Süd-Süd-Kooperation zu stärken. So bemühte sich der südamerikanische Integrationsblock Mercosur in der Vergangenheit erfolgreich darum, seine Handelsbeziehungen zu Südafrika zu stärken.
In der Abschlusserklärung forderten die G 15 von den reichen Ländern den Abbau des Protektionismus, der vor allem die afrikanischen Länder stark in ihrer Entwicklung behindern würde. Auch wurde gefordert, dass die Vereinten Nationen künftig wieder eine stärkere Rolle auf Weltebene spielen sollen.
Die Staats- und Regierungschefs sagten zu, Technologien zu teilen, sich gegenseitig bei der Gründung von Universitäten zu unterstützen und Alternativen zu den internationalen Medien zu schaffen, „die einen negativen Einfluss auf die Entwicklungsländer haben“. Venezuela und Indien wollen gemeinsam 120 Millionen Dollar für die Gründung einer Bank des Südens zur Verfügung stellen.
In Punkt neun der Erklärung wird die nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung als Voraussetzung dafür genannt, dass die „hoch verschuldeten Länder ihren Schuldendienst leisten können“. Dieser Absatz war auf Betreiben des argentinischen Präsidenten Néstor Kirchners in die 23-Punkte-Erklärung aufgenommen worden. Argentinien verhandelt derzeit mit den Privatgläubigern seiner 80 Milliarden Dollar Auslandsschulden über eine Reduzierung des Schuldendienstes. Hauptargument dabei ist, dass der Schuldendienst das Wirtschaftswachstum des Landes nicht abwürgen dürfe.
Für Argentinien hatte der Gipfel eine wichtige strategische Bedeutung. Nicht nur wurde die politische Unterstützung der anderen Schwellenländer bei der Frage der Auslandschulden erreicht. Auch mit dem Nachbarn Brasilien konnte eine Achse geschmiedet werden. So vereinbarte Kirchner mit Brasiliens Präsident Lula, künftig ihre Verhandlungen mit den multilateralen Kreditgebern wie dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank zu koordinieren.
Am 10. März soll ihr Pakt konkrete Formen annehmen. Dann wollen sich Lula und Kirchner in São Paulo treffen, um ein gemeinsames Vorgehen gegenüber den multilateralen Organisationen zu planen. INGO MALCHER