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Archiv-Artikel

Tote bei Hubschrauberangriff in Gaza

Israels Armee tötet drei Dschihad-Aktivisten, zwanzig Unbeteiligte werden verletzt. Vor dem geplanten Rückzug will die Regierung offenbar hart gegen Militante vorgehen. Palästinensischer Streit über die Auflösung radikaler Organisationen

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Die Hinrichtung dreier militanter Aktivisten des Islamischen Dschihad ist offenbar der erste Akt weiterer Exekutionen im Gaza-Streifen. Die israelische Armee plant mit Blick auf den einseitigen Abzug, der innerhalb der kommenden zwölf Monate erwartet wird, eine Intensivierung der Militäroperationen.

Berichten der liberalen Tageszeitung Ha’aretz zufolge will man bei der bevorstehenden Räumung nicht die Fehler vom Sommer 2000 wiederholen, als der einseitige Truppenabzug aus dem Südlibanon als Sieg der Hisbollah-Milizen gefeiert wurde. Diesmal sollte „den Terrorgruppen, die im Gaza-Streifen operieren, ein heftiger Schlag versetzt werden,“ bezieht sich Ha’aretz auf führende Armeevertreter.

Bei der Exekution der drei Dschihad-Aktivisten wurden 20 unbeteiligte Palästinenser verletzt, darunter ein 13-jähriger Junge, den die Ärzte am Samstagabend für klinisch tot erklärten. Augenzeugen berichteten von zwei Raketen, die von Hubschraubern auf den Wagen von Machmud Djodeh abgefeuert wurden, dem Anführer der militanten Al-Kuds-Brigaden. In Israel herrschte gestern erhöhte Alarmbereitschaft, nachdem der Islamische Dschihad Vergeltung angekündigt hatte. Kritiker des von Israels Premierminister Ariel Scharon angekündigten einseitigen Abzugs befürchten, dass die Extremisten im Gaza-Streifen die Kontrolle übernehmen könnten. Auch Exjustizminister Jossi Beilin, der den einseitigen Abzug aus dem Libanon vor vier Jahren vehement vorantrieb, befürwortet aus Sorge vor einem Chaos im Gaza-Streifen eine bilaterale Übereinkunft mit den Palästinensern. Die palästinensische Führung erklärte unterdessen, sie sei für eine Übernahme bereit.

Die Hoffnung konzentriert sich auf Mohammad Dahlan, ehemals Sicherheitschef im Gaza-Streifen und Minister im Kabinett des ehemaligen Regierungschefs Machmud Abbas. Dahlan verließ die Regierung zeitgleich mit Abbas nach einem Konflikt über die Kontrolle der Sicherheitsdienste. Eine auch von ihm geforderte Auflösung der Fatah-nahen milittanten Widerstandsgruppen stieß erst am Wochenende erneut auf Ablehnung von Palästinenserpräsident Jassir Arafat. Allerdings sprach sich dessen Organisation, die Fatah, grundsätzlich für eine friedliche Lösung aus.

Dahlan, der die israelischen Exekutionen wiederholt als kontraproduktiv bezeichnete – gerade die Armeeoperationen machten es ihm „unmöglich, die Situation zu beruhigen“ –, würden etwa 20.000 bewaffnete Sicherheitsleute zur Verfügung stehen. Einem früheren Plan zufolge würde er zunächst versuchen, die Fatah-nahen Militaristen unter Kontrolle zu bekommen, bevor er sich die religiösen Fundamentalisten vorknöpft, was ohne Rückendeckung Arafats eine kaum lösbare Aufgabe ist.

Aus den USA verlauteten am Wochenende erstmals positive Reaktionen auf Scharons Abzugsplan. Die Nationale Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice begrüßte die Initiative, von der sie sich neue Impulse für den Friedensprozess erhofft. Eine israelische Delegation reiste am Sonntag nach Washington, um das Weiße Haus über den Abzugsplan zu informieren. Die USA drängen auf eine Zusammenarbeit mit der palästinensischen Führung, was Israel indes vorläufig ablehnt.

Kompromissbereiter gibt sich Scharon unterdessen mit Blick auf den Verlauf der Trennanlagen. Die geänderte Strecke des noch nicht errichteten elektronischen Zauns sei „logischer und kürzer“, verlautete aus dem Büro des Premierministers. Das Kabinett wurde zur Verabschiedung der neuen Route noch nicht einberufen. Der Oberste Gerichtshof in Jerusalem verfügte am Sonntag infolge einer Eingabe von Palästinensern und einer Gruppe israelischer Anwohner den einwöchigen Baustopp der Trennanlagen bei Jerusalem.