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Archiv-Artikel

Nach der Wahl ist vor der Wahl

Kaum hat Hamburg gewählt, wollen sich CDU/CSU und FDP endlich auf einen Kandidaten für die Präsidentschaft einigen. In der Union gilt Schäuble mittlerweile als durchsetzbar, mit Sorge blickt man dort aber auf den Wankelmut der Liberalen

AUS BERLIN LUKAS WALLRAFF

Eigentlich ist das Ergebnis der Hamburger Bürgerschaftswahl vollkommen irrelevant für die Entscheidung über den nächsten Bundespräsidenten. Es war schon vorher klar, dass sich an den Machtverhältnissen in der Bundesversammlung, die das neue Staatsoberhaupt bestimmt, nichts mehr ändern würde. Union und FDP haben am 23. Mai zusammen eine Mehrheit, dabei bleibt es. Auf dem Papier. Wichtiger als die pure Arithmetik ist aber die politische Psychologie.

Einigen Christdemokraten dürften deshalb heute die Finger wehtun – vom heftigen Daumendrücken. Selten haben sich Unionspolitiker nämlich so sehr gewünscht, dass die FDP einen Erfolg erzielen möge wie gestern bei der letzten Landtagswahl vor der Präsidentenwahl.

Wolfgang Bosbach etwa, der CDU-Fraktionsvize im Bundestag, sorgte sich fast mehr um das Wohl der Liberalen als um seinen Parteifreund Ole von Beust. „Wenn die FDP den Sprung ins Parlament schafft, können wir viel entspannter über die Bundespräsidentenfrage reden.“ Er glaube zwar nicht, dass sich Union und FDP dann sofort auf einen Kandidaten einigen, sagte Bosbach der taz, „aber es würde die Sache deutlich leichter machen“. Warum? Weil der angeschlagene FDP-Chef Guido Westerwelle im Falle einer Niederlage seiner Partei in Hamburg intern noch mehr unter Druck geriete. Westerwelle könnte dann, so Bosbachs Befürchtung, „der Versuchung erliegen, bei der Präsidentenfrage liberales Selbstbewusstsein zu demonstrieren“, also weiterpokern – und möglicherweise rot-grün-gelbe Kandidaten ins Spiel bringen.

Mit dem Hinweis auf die wankelmütige FDP, der gestern auch aus der Parteizentrale zu hören war, verdrängt die CDU jedoch die eigenen Probleme. Die monatelange Nichtfestlegung auf einen eigenen Präsidentenkandidaten hat dem Image der Union als kraftvoller Opposition und der Autorität von Parteichefin Angela Merkel bereits erheblich geschadet. Bosbach weiß: „Wir können diese Hängepartie nicht mehr über den März fortsetzen.“

An Ratschlägen für Merkel mangelt es nicht. Einer, dem es nie schnell genug gehen kann, wenn es um den Machtanspruch der Union geht, hat sich bereits festgelegt. Für Hessens Ministerpräsident Roland Koch kann es nur einen Kandidaten geben: Wolfgang Schäuble. Gerade nach den schlüpfrigen Enthüllungen der Ex-CDU-Schatzmeisterin Brigitte Baumeister über ihr Verhältnis zu Schäuble und dessen Verhalten in der Spendenaffäre müsse die Union „beweisen, dass sie zu ihm hält“, so Koch. Prompt meldeten einige Sonntagszeitungen, Schäubles Chancen seien gestiegen. Auch Bosbach ist überzeugt, dass Schäubles parteiinterne Kritiker inzwischen mitziehen würden: „Wenn er der Kandidat ist, wird er auch genug Stimmen der CDU kriegen.“

Wenn das so ist, fehlt nur noch das Ja der FDP. Schäuble-Freund und CSU-Chef Edmund Stoiber unterbreitete den Liberalen ein Angebot. Dafür, dass sie einen Unionskandidaten mitwählen, so Stoiber, könne man der FDP inhaltlich entgegenkommen und Teile ihres Steuerkonzepts übernehmen. Ob das reicht?