piwik no script img

Liberale weiter auf Kurssuche

Freude und Tränen nach der Hamburg-Wahl: Während Christdemokraten und Grüne jubeln, die SPD beschwichtigt, streiten führende Freidemokraten weiter um die richtige Wahlkampfstrategie für NRW

VON ANDREAS WYPUTTA

Neun Monate nach dem Tod ihres Übervaters Jürgen Möllemann suchen die nordrhein-westfälischen Liberalen weiter nach der richtigen Strategie für die in 14 Monaten anstehende Landtagswahl. Während der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Ingo Wolf, auf die CDU setzt (siehe Interview unten), will sich der der Chef der Landespartei, Andreas Pinkwart, noch nicht festlegen: „Die FDP darf nicht als Beiwagen einer anderen Partei, sondern muss als Motor der politischen Erneuerung fungieren.“ Gerade die bittere Wahlniederlage bei der Hamburger Bürgerschaftswahl zeige, wie wichtig der eigenständige Kurs der FDP gerade in NRW sei, sagte Pinkwart gestern im Bundesvorstand seiner Partei in Berlin: „Die FDP steht für einen Politikwechsel. Mit wem der am besten durchsetzbar ist, entscheiden wir zu gegebener Zeit.“

CDU-Oppositionsführer Jürgen Rüttgers reagierte dennoch hocherfreut auf die Avancen von FDP-Fraktionschef Wolf. „Rüttgers betont seit Wochen seinen Wunsch nach einem politischen Neuanfang. Und der geht am besten mit der FDP“, so ein Sprecher der CDU-Landtagsfraktion. Rüttgers setzt aber auf eigene Stärke – in Hamburg hatte der regierende Bürgermeister Ole von Beust seinen bisherigen Koalitionspartner FDP weitgehend ignoriert und so die absolute Mehrheit eingefahren. Ein „hervorragendes Signal“ sei die Hamburger Wahl gerade für mögliche CDU-Erfolge in NRW-Großstädten, so der CDU-Chef – die Christdemokraten gelten besonders im progressiven Großstadtmilieu und bei Frauen als schwach. Damit sei es jetzt vorbei, glaubt Rüttgers: „Rot-Grün hat keine Mehrheit in der Bevölkerung mehr.“ Die SPD könne die soziale Gerechtigkeit der notwendigen Reformen nicht garantieren und werde deshalb abgewählt.

Die Sozialdemokraten setzen deshalb weiter auf auf eine bessere Vermittlung des Berliner Reformkurses. Der SPD werde es gelingen, „die Arbeitsteilung der letzten Monate, nach der wir die Veränderungen in Deutschland machen und die CDU die Wahlen gewinnt“, umzudrehen, sagte der Vorsitzende der nordrhein-westfälischen SPD, Harald Schartau im WDR. Die personalisierte Hamburger Entscheidung sei eine „Ole von Beust-Wahl“ gewesen.

Für die anstehende Landtagswahl deutet sich damit ein Lagerwahlkampf an: Die Grünen setzen trotz der momentanen Schwäche ihres Koalitionspartners weiter auf die SPD. „Abwegig“ sei eine Koalition mit der CDU zumindest auf Landesebene, so der Vorsitzende der NRW-Grünen, Frithjof Schmidt. Zwar habe sich das Verhältnis zur CDU normalisiert, das sei „aber etwas anderes als das Angebot einer Regierungspartnerschaft“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen