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Archiv-Artikel

Opposition vor Ort

In vier von sieben Bezirken sind rot-grüne Koalitionen möglich. Harburg: Schill ist drin, CDU muss zwischen SPD und GAL wählen. Absolute CDU-Mehrheit bei SPD-Bezirksamtsleiter in Bergedorf

„Wir können keinen Koalitionspartner brauchen, der dem Senat etwas zwischen die Beine werfen will“

von GERNOT KNÖDLER

Der erdrutschartige Sieg der CDU hat in abgeschwächter Form auch in den Bezirken stattgefunden. Paradoxerweise hat er dazu geführt, dass der Einfluss von SPD und GAL in den Bezirksversammlungen gewachsen ist: In Eimsbüttel und Nord ist es so gut wie sicher, dass die rot-grünen Koalitionen fortgeführt werden. In Altona kommt es wahrscheinlich zu einer rot-grünen Mehrheit und in Mitte ist ein rot-grünes Bündnis so greifbar wie nie. In Harburg hat die CDU die Wahl zwischen SPD und GAL als Koalitionspartner, da ProDM/Schill nicht in Frage kommt. In Wandsbek und Bergedorf, wo die CDU zuvor auf die Schill-Partei angewiesen war, hat sie jetzt die absolute Mehrheit.

Die GAL legte bei der Wahl der Bezirksversammlungen insgesamt stärker zu als bei der Wahl zur Bürgerschaft. In Altona erreichte sie das Traum-Ergebnis von 21,2 Prozent – ein Plus von 7,8 Prozentpunkten. Die SPD verlor weniger stark als bei der Bürgerschaftswahl. Doch nur in Mitte, Bergedorf, Harburg und Nord reichte es für den Sprung über die 30-Prozenthürde.

Analog verzeichnete die CDU schwächere Gewinne als bei der Wahl zur Bürgerschaft: Die größten Zuwächse verzeichnete sie in Harburg, Wandsbek und Bergedorf. In Harburg reichte es nur deshalb nicht zur absoluten Mehrheit, weil hier ProDM/Schill mit 5,2 Prozent der Einzug in die Bezirksversammlung gelang, während sie überall sonst an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte.

Die FDP dümpelt in allen Bezirken bei Werten zwischen 2,5 und 3,5 Prozent. ProDM/Schill erreichte diese Größenordnung nur in Eimsbüttel, Nord und Wandsbek. Schills ehemalige Weggefährten von der Offensive erzielten lediglich in Mitte, Bergedorf und Harburg mehr als ein Prozent – da lag sogar die Rentnerpartei Die Grauen besser, die durchgehend um die anderthalb Prozent erreichte. In der gleichen Größenordnung bewegte sich der Regenbogen, der sein Spitzenergebnis mit 3,2 Prozent in Mitte erzielte.

Besonders interessant dürften die Koalitionsverhandlungen in Harburg werden. Ralf-Dieter Fischer, der Aussichten hat, CDU-Fraktionschef zu werden, lehnte gestern eine Koalition mit ProDM-Schill ab. „Wir müssen eine verlässliche Mehrheit haben“, sagte Fischer. Die beiden gewählten Schillianer seien unzuverlässig. Überdies habe Ole von Beust generell ein Zusammengehen mit Schill ausgeschlossen.

Fischer zufolge käme für die Harburger CDU sowohl die SPD als auch die GAL als Koalitionspartner in Frage. Der Partner müsse mit der CDU jedoch konstruktiv zusammenarbeiten. Fischer sagte: „Wir können keinen Koalitionspartner brauchen, dem es darum geht, dem Senat etwas zwischen die Beine zu werfen.“ Über eine andere Besetzung des Bezirksamtsleiter-Postens wollte Fischer angesichts der Krankheit des zwar gewählten aber nicht ernannten Amtsinhabers Bernhard Hellriegel nicht spekulieren.

Die Harburger GAL-Spitzenfrau Heinke Ehlers sieht ihre Partei angesichts eines Stimmenzuwachses von drei Prozentpunkten in der Lage, abzuwarten. Es müsse sich zeigen, ob die CDU inhaltlich etwas anzubieten habe. Auch SPD-Fraktionschef Jürgen Heimath wartet auf ein Angebot der CDU.

In Mitte, wo CDU und SPD zuletzt eine halbwegs funktionierende „punktuelle Zusammenarbeit“ vereinbart hatten, könnte es erstmals zu einer rot-grünen Koaliton kommen. Der GAL-Abgeordnete Matthias Bölkow hält das für möglich, nicht zuletzt wohl weil die SPD den Status der stärksten Fraktion eingebüßt hat: „Die Situation ist deutlich besser als beim letzten Mal, als die SPD noch nicht tiefen Herzens verstanden hatte, dass sie nicht mehr das Sagen hat“, findet er. Entscheidend für ein Zusammengehen mit der SPD sei, ob inhaltlich etwas dabei herausspringe.

Die Sozialdemokraten sind nach Angaben ihres Sprechers Thomas Stölting für eine rot-grüne Koalition offen, wollen aber auch bei der CDU sondieren. Ex-CDU-Fraktionschef Jörg Hamann, dem der Sprung in die Bürgerschaft gelang, hält Absprachen mit beiden anderen Fraktionen für möglich, auch mit der GAL. Seine Fraktion habe den Grünen gegenüber „keine Berührungsängste, aber auch sehr wenige Gemeinsamkeiten“.

In Bergedorf muss sich der mit SPD-Parteibuch versehene Bezirksamtsleiter Christoph Krupp künftig mit einer absoluten Mehrheit der CDU auseinander setzen und um seinen Posten fürchten. Der CDU-Kreisvorsitzende und Bürgerschaftsabgeordnete Bernd Reinert deutete gegenüber der Bergedorfer Zeitung an, er denke über eine Abwahl Krupps nach, weil dieser im Wahlkampf zu sehr die SPD unterstützt habe. Da die CDU mit Gerhard Fuchs bisher nur in Wandsbek einen Bezirksamtsleiter stellt, ist die Versuchung groß, den SPD-Mann abzulösen.

CDU-Fraktionschef Norbert Reichelt erklärte solche Personalfragen dagegen für zweitrangig. „Erstmal geht es um Sachthemen“, betonte Reichelt, der wieder für den Fraktionsvorsitz kandidiert: den Umbau des Bahnhofs samt Vorplatz, den der Bezirk im Konsens geplant hat, und die wirtschaftliche Belebung der Bergedorfer Innenstadt.

In Altona bot die CDU als stärkste Fraktion der GAL eine Koalition an: „Wir haben die GAL in Altona bislang als eine sehr konstruktive und sachorientierte Fraktion kennengelernt, die sich mit diesem Wahlergebnis natürlich für eine weitergehende Kooperation empfohlen hat“, erklärte Fraktionschef Uwe Szczesny. Auch mit der SPD wolle man sprechen.

GAL-Spitzenkandidatin Gesche Boehlich räumte einem schwarz-grünen Bündnis allerdings nur eine „sehr geringe Chance“ ein. „Die CDU müsste sich in vielen Bereichen sehr bewegen“, sagte Boehlich. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Adrian bezeichnete es als „naheliegend“, auf die Grünen zuzugehen. Die SPD wieder auf die Beine zu bringen, dafür sei eine große Koalition wenig geeignet.

Mehrere Bezirkspolitiker von SPD und GAL äußerten sich besorgt, dass die CDU ihr Versprechen, die Bezirke zu stärken, ins Gegenteil verkehren könnte. Bölkow befürchtet, dass der Senat viele wichtige Vorhaben in Mitte, etwa die Hafencity oder die Pläne für das Stadttor Südost an sich zieht, weil sie für die ganze Stadt wichtig sind. Der Bergedorfer SPD-Fraktionschef Werner Omniszczynski verwies auf Pläne aus der CDU, die Bezirke in 15 bis 20 Verwaltungseinheiten zu zerschlagen. Dafür bräuchte bloß das Bezirksverwaltungsgesetz geändert zu werden.