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Archiv-Artikel

Beust – liberal bis rechts außen

Hamburgs CDU gewann vor allem ehemalige Schill-Wähler, aber kann sie sie binden?

HAMBURG taz ■ Hamburg kann sich entspannen. Ronald Schill, Senkrechtstarter bei den Bürgerschaftswahlen 2001, hat die Rückkehr ins Hamburger Rathaus glatt verfehlt. Gerade mal 25.000 Stimmen, also 3,1 Prozent, konnte der Exinnensenator, der diesmal unter dem Mantel der Pro-DM-Partei des millionenschweren Düsseldorfer Verlegers Bolko Hoffmann antrat, auf sich vereinigen.

Seine frühere Partei, die Rechtsstaatliche Offensive, von der er im Unfrieden geschieden war, erhielt nur gut 3.000 Stimmen und 0,4 Prozent – und das, obwohl sie bis zuletzt den Zweiten Bürgermeister und den Innensenator der Hamburger Landesregierung gestellt hatte. Das bedeutet: Konnte Ronald Schill vor zweieinhalb Jahren noch 165.000 und damit 19,4 Prozent aller Stimmen auf sich vereinigen, so erhielten die alte und die neue Schill-Partei am vergangenen Sonntag zusammen nur noch knapp 29.000 Kreuze auf den Wahlzetteln.

Laut Wählerwanderungsbilanz des Hamburger Psephos-Instituts setzte genau die Hälfte der ehemaligen Schill-Wähler diesmal auf die CDU. Für die Christdemokraten bedeutet allein dieser Zustrom eine Ergebnisverbesserung von rund 9 Prozent. Weitere 29.000 Hamburger, die zuvor der Partei Rechtsstaatliche Offensive zu ihrem Wahltriumph verholfen hatten, blieben diesmal den Wahllokalen ganz fern. Die Wahlforscher gehen davon aus, dass es sich hierbei in erster Linie um die ehemaligen Schill-Wähler handelt, die den ehemaligen Richter aus Protestmotiven gewählt hatten. Die SPD konnte von der Erosion der Rechtspopulisten kaum profitieren. Von den fast 50.000 Wählern, die sie 2001 an die Schill-Partei verlor, kehrten am Sonntag nicht einmal 10.000 zu ihr zurück.

Ole von Beust schaffte es damit, Stimmen auch am rechten Rand zu fischen. In tödlicher Umarmung der Schill-Partei gelang es dem eher als liberal geltenden Bürgermeister, eine vermeintlich effektivere Kriminalitätsbekämpfung als Erfolg des Gesamtsenats zu vermarkten, während die Eskapaden Schills auf diesen, nicht auf von Beust zurückfielen. Sichtbares Zeichen dieser Vereinnahmung rechter Wahlpotenziale im Kampf gegen Rot-Grün: Die Deutschen Konservativen, die einst zur Wahl Schills aufgerufen hatten, machten sich zuletzt für Ole stark.

Damit steht die neue Hamburger CDU-Alleinregierung vor einem schwierigen Spagat: Sie muss, will sie ihr Rekordergebnis konservieren, sowohl die ehemaligen Schill-Anhänger wie die übergelaufenen Sozialdemokraten dauerhaft an sich binden. Wie es ihr gelingen soll, gleichzeitig ein konservativ-rechtsstaatliches und hanseatisch-liberales Profil zu entwickeln, dafür hat die Hamburger CDU kein Rezept in der Tasche. Die Christdemokraten ahnen bereits: Wer den Gipfel erreicht hat, für den kann es nur noch bergab gehen.

MARCO CARINI