: Ost-Ministerpräsidenten gegen EU-Kürzung
Treffen mit Regionalkommissar Michel Barnier. Neue Länder sollen auch nach Erweiterung Höchstförderung erhalten
DRESDEN taz ■ Mehr als eine allgemeine Zusage, die Förderung Ostdeutschlands „gerecht und angemessen“ auch nach 2006 fortzusetzen, war von EU-Regionalkommissar Michel Barnier wohl nicht zu erwarten. Nach dem Beitritt weiterer Länder zur EU im kommenden Jahr solle es hierfür eine Übergangslösung geben, sagte Barnier gestern in Leipzig. Hier hatten ihm ostdeutsche Ministerpräsidenten die Bitte vorgetragen, wie bisher maximal gefördert zu werden.
In den Genuss der so genannten Ziel-1-Förderung kommen europäische Gebiete, deren Bruttoinlandsprodukt pro Kopf unter drei Vierteln des EU-Durchschnitts liegt. Verbunden mit dieser regionalen Höchstförderung ist auch die Erlaubnis, Investitionen mit 35 statt der üblichen 18 Prozent öffentlich zu unterstützen. Über die EU-Strukturfonds fließen so im Zeitraum 2000 bis 2006 etwa 29 Milliarden Euro nach Deutschland, davon allein 20 Mrd. in die ostdeutschen Bundesländer.
Mit der Osterweiterung der EU im nächsten Jahr sinkt deren wirtschaftliches Gesamtniveau deutlich. Durch die statistische Verschiebung würden die meisten ostdeutschen Regionen damit knapp über die 75-Prozent-Grenze rutschen. Nur die Gebiete um Dessau und Chemnitz blieben Ziel-1-Gebiet. Die sächsische Landeshauptstadt Dresden kletterte dann beispielsweise um fast 8 Punkte auf 79 Prozent, während Leipzig bereits jetzt aus der Ziel-1-Förderung herausfällt. Von dem Effekt sind auch Regionen in Belgien, Spanien, Italien, Finnland, Großbritannien und Portugal betroffen, in Österreich etwa das Burgenland.
Nach einer Studie der Sächsischen Staatskanzlei würden sich die EU-Zuschüsse für Ostdeutschland etwa halbieren. Damit könnten etwa 75.000 Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren.
Die ostdeutschen Ministerpräsidenten hatten sich deshalb bereits im März auf ein gemeinsames Positionspapier geeinigt. Darin weisen sie auf die anhaltenden Entwicklungsrückstände hin. Der Abstand zum Westen habe sich seit 1997 sogar wieder vergrößert. Deshalb solle die 75-Prozent-Fördergrenze zwar prinzipiell beibehalten, die vom „statistischen Effekt“ betroffenen Gebiete aber Ziel-1-Gebieten gleichgestellt und weiterhin maximal gefördert werden. Die dafür notwendigen zusätzlichen Mittel sollten nicht ausschließlich durch Aufstockung des EU-Haushaltes erfolgen, vielmehr sei die „Bereitschaft aller zur Solidarität gefordert“.
Mit einer bloßen Übergangsregelung, wie jetzt von Barnier vorgeschlagen, wollten sich die ostdeutschen Regierungschefs nicht zufrieden geben. Im Herbst will die EU-Kommission ihre Vorschläge zur Förderperiode nach 2006 unterbreiten.
MICHAEL BARTSCH
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