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Archiv-Artikel

„Griff in die Mottenkiste“

Die Bahn will wieder in den Regionalverkehr einsteigen – und die Konkurrenz verdrängen. Bremer BSAG setzt auf ihr Regionalstadtbahn-Konzept mit leichteren Zügen und deutlich mehr Haltestellen

Von kawe
Jahrelang hat sich die Bahn aus dem Nahverkehr zurückgezogen

taz ■ Die Bahn kämpft um ihr Monopol. Nachdem die Nordwestbahn vorgemacht hat, dass auch andere erfolgreich Schienenverkehr betreiben können, will die Bahn Terrain zurückgewinnen. Jahrelang hat sie sich aus den Nahverkehrs-Strecken zurückgezogen und kleinere Bahnhöfe stillgelegt, nun heißt es unter dem Druck der Konkurrenz: Kehrt Marsch!

184 Millionen Euro wolle sie bis zum Jahr 2006 in Nahverkehr in Niedersachen investieren und neue Trieb- und Doppelstockwagen in Auftrag geben, versprach die Bahn unlängst in Hannover – wenn sie dafür von der staatlichen Nahverkehrsgesellschaft den Zuschlag für die Regio-Strecken bekomme, die gerade in der Verhandlung sind. Man strebe einen Zehn-Jahres-Vertrag an, sagt Wolfram von Fritsch, Sprecher der DB Regio AG. Wenn im Jahr 2005 auch die derzeit von der Nordwest-Bahn betriebenen Strecken Osnabrück-Wilhelmshaven neu ausgeschrieben werden, will die Bahn auch diese wieder zurückgewinnen, um sich der lästigen Konkurrentin zu entledigen.

Neue Züge sind nicht das Einzige, das die Bahn dabei in Hannover in die Waagschale wirft. Rund 300 Zugbegleiter sollen mobile Kommunikationsgeräte erhalten, an Lokführer wolle man insgesamt 1.000 Handys verteilen, sagt Fritzsch. Auch soll die Fahrgast-Information etwa bei Verspätungen verbessert werden, mehr Mitarbeiter sollen in den Zügen für mehr Sicherheitsgefühl sorgen, Schwarzfahrer erwischen und auch behinderten Fahrgästen mehr als bisher helfen.

Das Vorpreschen der Bahn hat einen konkreten Grund. Noch in diesem Jahr nämlich soll die staatliche niedersächsische Landesnahverkehrsgesellschaft entscheiden, wer künftig mit welchem Konzept den Schienen-Nahverkehr um Bremen betreiben darf. Die DB-Regio möchte ihr Hannoveraner S-Bahn-Konzept auf die Strecken Verden-Vegesack, Bremerhaven-Twistringen und Rotenburg/W.-Oldenburg-Nordenham übertragen.

Der S-Bahn-Vorschlag der Bahn steht allerdings in direkter Konkurrenz zu dem Konzept der Bremer Straßenbahn-AG, die diese Regionalverkehre in ihr Straßenbahn-Netz integrieren möchte. Straßenbahnen sollen auf Bundesbahnschienen direkt aus der Innenstadt heraus ins Umland fahren. Geht nicht, sagt die Bahn: Die S-Bahnen seien zu langsam und würden zu oft halten, dadurch den Durchgangsverkehr und Güterzüge behindern. „Die bremsen den schnellen Verkehr aus“, warnt Fritsch.

„Darüber kann ich nur lachen“, kontert hingegen der Bremer BSAG-Chef Georg Drechsler. Vor Jahren hat er das Konzept, die Straßenbahnen zu „Regionalstadtbahnen“ auf den Schienen der Bundesbahn weiterzuentwickeln, für Karlsruhe erfunden. „Das ist heute Stand der Technik“, sagt Drechsler, in vielen großstädtischen Regionen werde das Konzept mit Erfolg umgesetzt. Die Straßenbahnen würden auf den Bundesbahn-Schienen „auf Lücke“ fahren und die schnellen Züge vorbeilassen – alles eine Frage des Managements. Sogar die Bahn würde in anderen Ballungsräumen in Kooperation mit kommunalen Verkehrsunternehmen solche „Regionalstadtbahnen“ betreiben.

Vorteile der Regionalstadtbahn-Regelung: Da die Züge leichter sind, können sie schneller beschleunigen und also mehr Haltepunkte bedienen. 40.000 Einwohner der Region würden nach dem BSAG-Konzept im Umkreis von 1.000 Meter eine Haltestelle bekommen, viel mehr Pendlern könnte so ein Angebot „von Haustür zu Haustür“ gemacht werden. Auch die Bahn würde von dem dichteren Zubringer-Netz letztlich profitieren, weil viele der neu gewonnenen Fahrgäste dann auch mit ihren Zügen weiterfahren würden.

Die Regio-Bahnen der Bundesbahn haben deutlich weniger Haltepunkte und erreichen also weniger Menschen. Die Argumente der Bahn kämen „ganz unten aus der Mottenkiste“ und seien „längst widerlegt“, ärgert sich Drechsler über die öffentliche Kampagne. Wobei er versteht, dass die Bahn Angst hat, „Leistung zu verlieren“. Denn Firmen wie die BSAG seien heute schon Anbieter auf den Bundesbahn-Schienen: „Wir sind auch ein normales Eisenbahnunternehmen.“ kawe