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Archiv-Artikel

american pie Tretmühle in die Obskurität

Die Eishockeyliga NHL leidet nicht nur unter einer Torflaute, sondern hat auch wirtschaftliche Probleme, die ein Arbeitskampf noch verschärfen könnte

Das All-Star-Game der NBA im Februar war phasenweise ein grauenhaftes Basketballspiel. Bezeichnend, wie fassungslos Dirk Nowitzki herumstand, während die Selbstdarsteller um ihn herum permanent versuchten, den Wegfall jeglicher Defense zu nutzen, um mit Dunks, Alley-hoops und diversen Playground-Moves in die Highlight-Reels zu kommen. Was manchmal durchaus spektakulär gelang, oft genug aber kläglich fehlschlug.

Ganz anders das All-Star-Game der Eishockeyliga NHL kurz zuvor. Dies gewann der Osten gegen den Westen mit 6:4, aber auch das war nicht recht. Die für ein solches Match niedrige Zahl an Toren spiegelte nämlich genau eines der Probleme wieder, mit denen sich die Liga momentan herumschlägt. Mit etwa fünf Toren pro Spiel ist die Trefferquote so niedrig wie seit den Fünfzigerjahren nicht mehr. Die von den meisten Teams praktizierte „Falle“ in der neutralen Zone lässt packendes schnelles Eishockey kaum noch zu, die Spiele geraten zu einem unattraktiven Gemisch aus Halten, Hakeln und dauernden Puckverlusten. „Durch die neutrale Zone zu kommen, ist manchmal, als ginge man über ein Schlachtfeld“, sagt Bill Guerin von den Dallas Stars. Abhilfe tut Not, zumal Verhandlungen über einen neuen Fernsehvertrag anstehen.

Die Vorschläge reichen von einer Vergrößerung der Tore über eine Reglementierung der Kleidung der Torhüter, die mit immer größeren Schützern und Handschuhen aufwarten, die Modifizierung der Offside-Regeln bis zur Vergrößerung der Eisfläche. So gut wie sicher ist, dass man die Tore einen Meter zurückverlegt und die neutrale Zone entsprechend vergrößert.

Wesentlicher als die Frage, wie in der nächsten Saison gespielt wird, ist allerdings die Frage, ob überhaupt gespielt wird. Am 15. September läuft der Arbeitsvertrag zwischen NHL und Spielergewerkschaft NHLPA aus, der 1994 nach dreieinhalbmonatigem Arbeitskampf ausgehandelt worden war. In den zehn Jahren seiner Gültigkeit expandierte und florierte die NHL zwar insgesamt, doch während die Gewinne um 163 Prozent stiegen, wuchsen die Spielergehälter laut Ligaführung um 252 Prozent. Eine Untersuchung ergab, dass in der NHL 76 Prozent der Einnahmen an die Spieler fließen, während es zum Beispiel in der NBA nur 58 Prozent sind. 273 Millionen Dollar Verlust hätte die Liga in der letzten Saison gemacht, 19 der 30 Klubs schlossen mit einem Minus ab – die beiden, die Konkurs anmelden mussten, Ottawa und Buffalo, nicht mitgerechnet. Dies alles ergab der Bericht des Finanzexperten Arthur Levitt jr., der anmerkte, er habe „solch katastrophale Resultate bei keinem anderen Unternehmen dieser Größe gesehen“. Die NHL, so Levitt, sei „auf einer Tretmühle in die Obskurität“.

Der Levitt-Report hat bloß einen Haken: Er war von der NHL-Führung in Auftrag gegeben. „Eine reine PR-Maßnahme der Liga“ nannte ihn Spielergewerkschaftschef Bob Goodenow und machte geltend, dass viele Klubs einen Teil ihrer Einnahmen verschwiegen oder verschleiert hätten. NHL-Commissioner Gary Bettman ist dennoch überzeugt: „Wir haben ein ökonomisches System, das nicht funktioniert, und können so nicht weitermachen. Wir müssen das reparieren.“ Klares Ziel der Ligabosse ist eine „Salary cap“, eine Gehaltsobergrenze, wie sie in der NBA gilt. Damit könnte auch eine größere Ausgeglichenheit der NHL und damit höhere Attraktivität bewirkt werden. Für die Spieler ist die Salary cap jedoch unannehmbar. „Eine absolute Nichtgrundlage“ für Verhandlungen, so NHLPA-Sprecher Ted Saskin. Auch eine indirekte Obergrenze durch Luxussteuern, die Klubs ab einer bestimmten Gehaltssumme zahlen müssten, behagt den Profis nicht.

Klar ist allen Beteiligten, dass ein Teilverlust der Saison wie 1994, als dreieinhalb Monate nicht gespielt wurde, fatal für den nordamerikanischen Eishockeysport wäre. „Ich habe Vertrauen, dass die Sache von Leuten, die sich treffen und ehrlich bemüht sind, geregelt werden kann“, sagt Larry Quinn, Manager der Buffalo Sabres. Andere sind nicht so zuversichtlich. Martin Brodeur, Goalie der New Jersey Devils, hält einen Arbeitskampf für möglich. Und er ist überzeugt: „Wenn wir für längere Zeit von der Bildfläche verschwinden, wird es einige Teams danach nicht mehr geben.“ MATTI LIESKE