: Eignung war noch nie der Maßstab
Union und SPD mussten sich die Zustimmung der FDP zu einem Präsidentschaftskandidaten immer teuer erkaufen
Die Medien beklagen ein „unwürdiges Gezerre“, die Union sieht sich von der FDP erpresst, und im Hinterkopf denken alle an künftige Koalitionen: Das alles ist eine ziemlich präzise Beschreibung, wie alle Präsidentenwahlen seit Bestehen der Bundesrepublik abgelaufen sind.
Schon als Konrad Adenauer 1949 den FDP-Chef Theodor Heuss nominierte, ging es um die Anbahnung einer bürgerlichen Koalition. Und, siehe da: Wenige Tage nach der Präsidentenwahl wurde Adenauer Kanzler, dank liberaler Zustimmung.
Eine weniger glückliche Hand bewies Adenauer zehn Jahre später. Der immer noch amtierende Kanzler wollte selbst auf den Präsidentenposten wechseln und das Amt nach dem Vorbild Charles de Gaulles zu einem echten Machtfaktor ausbauen. Das aber gab die Verfassung nicht her, außerdem schreckte Adenauer davor zurück, ausgerechnet für Ludwig Erhard das Kanzleramt zu räumen. Er zog seine Kandidatur zurück, Landwirtschaftsminister Heinrich Lübke bekam das höchste Staatsamt.
Spannend bis zuletzt blieb es 1969. Die Union nominierte ihren rechten Flügelmann Gerhard Schröder – gegen den Widerstand von jüngeren Politikern um Helmut Kohl, die damals schon Richard von Weizsäcker zum Präsidenten machen wollten. In der Nacht vor der Abstimmung entschloss sich die FDP, für den SPD-Kandidaten Gustav Heinemann zu stimmen. Den letzten Ausschlag gab das Versprechen, die damals aktuelle Debatte um ein Mehrheitswahlrecht zu beenden – quasi als „inhaltliche Kompensation“. Die FDP war gerettet – und bald kam es zur sozialliberalen Koalition.
Als bündnispolitisch höchst bedeutsam erwiesen sich auch die folgenden Präsidentenwahlen. Mitten in der Guillaume-Krise von 1974 hielt sich die SPD den liberalen Partner warm, indem sie den FDP-Außenminister Walter Scheel („Hoch auf dem gelben Wagen“) in die Villa Hammerschmidt entsandte. Und 1979 distanzierte sich der kleine Koalitionspartner, indem er der SPD-Kandidatin Annemarie Renger seine Stimmen verweigerte – allerdings ohne praktische Konsequenzen, denn die Union wählte Karl Carstens mit ihrer eigenen absoluten Mehrheit.
Wurde Richard von Weizsäcker 1984 und 1989 in großem Konsens gewählt, so gab es beim Streit um seine Nachfolge 1994 ein Hickhack wie seit 35 Jahren nicht mehr. Helmut Kohl favorisierte erst den umstrittenen Sachsen Steffen Heitmann. Als der Kanzler auf den Verfassungsrichter Roman Herzog umschwenkte, hatte die FDP schon Hildegard Hamm-Brücher als eigene Kandidatin aufgestellt. Für die SPD wäre das eine Gelegenheit gewesen, Hamm-Brücher tatsächlich zu wählen und damit das Kalkül des Einheitskanzlers zu durchkreuzen. Doch sie hielt eisern an Johannes Rau fest – und verlor, weil die FDP im dritten Wahlgang auf Herzog einschwenkte. RAB