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Archiv-Artikel

Echte Nonnen in virtuellen Zellen

Das Bistum Hildesheim hat ein Kloster im Internet gegründet – eingebettet in eine Art Second Life. In der Bibliothek gibt es Anleitungen zum Beten und im Oratorium kann man eine Kerze anzünden

VON GERNOT KNÖDLER

Am ersten Advent ist im Internet das erste Kloster gegründet worden. Wie das Bistum Hildesheim mitteilte, haben elf Brüder und Schwestern dort ihre virtuellen Zellen bezogen. Das Kloster solle „den Surfern die Spiritualität von Ordensmenschen erschließen und sie dazu einladen, sich selbst auf einen inneren Weg zu machen“, schreibt Norbert Lübke vom Bistum Hildesheim, der das Projekt mit aus der Taufe gehoben hat.

Das Kloster ist an eine Kirche angebaut, mit der das Bistum schon seit zehn Jahren im Netz vertreten ist (www.kirche.funcity.de). „St. Bonifatius“ steht in der virtuellen Welt „Funcity“, einer Parallelwelt nach der Art von Second Life, nur ohne künstliche Menschen, so genannte Avatare. Funcity bildet eine Stadt nach mit einem Café zum Quatschen – „chatten“ –, einer Einkaufsmeile, einem Rathaus und eben der Kirche samt Kloster.

Vor dem Eingang zu St. Bonifatius führt rechts eine Tür in die Diele des Klosters. Dort geht es weiter zu einer Bibliothek mit Anleitungen zum Beten und Informationen über Männerorden. Hinter einer Tür mit dem Hinweis „Rekreation“ verbirgt sich ein Freizeitraum mit einem Heiligen-Memory. Im Oratorium, dem Betsaal, gruppieren sich niedrige Kissen um einen Tisch. Wer will, kann eine Kerze anzünden oder über ein Bild meditieren.

Der Mönch und die zehn Nonnen aus unterschiedlichen Orden, die mit dem Mauszeiger im Zellentrakt besucht werden können, wohnen im wirklichen Leben an verschiedenen Orten. Trotzdem bildeten sie eine Gemeinschaft, sagt Franziskanerpater Thomas: „Wir kennen uns alle.“ Pater Thomas steht der katholischen Hochschulgemeinde in Hamburg vor. Erfahrung mit der Seelsorge im Internet bringt er von der Website der Hochschulgruppe (www.khg-hamburg.de) mit – „und wenn es nur per e-mail ist“, wie er sagt.

Was das Kloster im Internet von der Kirche unterscheide, seien seine typische Einrichtungen wie etwa die Bibliothek und die besondere Ausstrahlung von Mönchen und Nonnen. „Ordensleute werden eine andere Zielgruppe ansprechen als die Kirche“, sagt Pater Thomas. Er und seine Mitschwestern stellen sich in ihren Räumen vor – mit Lebensläufen, Vorlieben und geistlichen Anliegen. Dahinter liegt ein geschützter Bereich für den vertraulichen Gedankenaustausch. Angedacht sei, in Zukunft einmal Menschen im virtuellen Kloster mitleben zu lassen.

Das Angebot stößt auf großen Zuspruch: Mehr als 4.000 Menschen hätten die Website in den ersten 24 Stunden besucht, sagt Pater Thomas. Allein seine Zelle habe mehr als 400 Besucher gehabt. Auffällig sei die hohe Zahl von virtuellen Gästen aus Polen und Schweden.

„Wir sind selbst überrascht, wie sich die Nachricht verbreitet“, sagt Bistumsreferent Lübke. Das Interesse erklärt er sich damit, das Ordensleute für einen besonderen Lebensentwurf stehen, der durch ihre Kleidung auch sichtbar ist.

Pater Thomas glaubt nicht, dass das Internet-Angebot der Vereinzelung Vorschub leiste. „Die Leute, die christlich sozialisiert sind und denen das ein Herzensanliegen ist, werden sich nicht mit dem Internet zufrieden geben und sich eine Gemeinde suchen“, sagt er. Das Netz sei eine Chance, kirchenferne Menschen in Kontakt mit Kirchengemeinden zu bringen.