: intellektuell unterbelichtet: axel hüttes „terra incognita“
Frauen werden nur beim Vornamen genannt. Vielleicht sind sie alle Bedienungen, denen nur ein „Gabi“, „Vero“ oder „Claudia“ zugebilligt wird. Straßenkinder dagegen tragen vollständige Namen wie Carlos Rivera, Richard Cruz oder Nelson Monks. Es sind allerdings auch Jungs. Männer sind Künstler. Da ist der Name ganz wichtig: Tony Oursler, Haim Steinbach, Philip Taaffe oder James Welling. Entsprechend lässt der Fotograf auch nicht Jeff Koons, Mike Kelly oder Thomas Ruff sich elegisch am Rande dunkler Wasserflächen ergehen, in denen sie sich spiegeln. Das sähe dann doch komisch aus. Warum es aber nicht lächerlich aussehen soll, wenn in seiner jüngsten Serie, in der dem Individuum „die gleiche Präsenz zugewiesen wird, die auch ein Baumstamm, ein Strauch, ein Stein haben kann“, wie Rosa Olivares in ihrem Begleittext schreibt, nun ganz und gar namenlose Frauen diese Präsenz des Organischen haben, bleibt eine offene Frage. Allerdings erübrigt sich mit diesen Beobachtungen auch schon jeder weitere Blick in Axel Hüttes neueste Publikation „Terra Incognita“. Der Schirmer/Mosel Verlag bringt sie jetzt anlässlich Hüttes Retrospektive im Centro Arte Reina Sofía heraus, die noch bis zum 10. Mai in Madrid zu sehen ist. Die Haltung des Fotografen seinen Motiven gegenüber ist überdeutlich. Romantisch nennt die Kritik bei Hütte, einem Becher-Schüler, gewöhnlich diese Haltung, die sich am liebsten in den Maßen von wenigstens zwei Meter dreißig in der Breite und einem Meter fünfzig in der Höhe kundtut. Viel Raum für eine Welt, die nicht nur dem Fotografen unbekannt bleibt, weil er sie in seinem Unverstand zu großen Teilen auslöschen muss. Nicht nur in seinen Porträts, sondern auch in seinen Bildern von Bergen, Dschungeln und Wüsteneien. Hüttes Motive sind, wenn auch nicht fotografisch, so doch intellektuell einfach unterbelichtet. BRIGITTE WERNEBURG
Axel Hütte: „Terra Incognita“. Schirmer/Mosel Verlag, München 2004, 176 Seiten, 84 Farb-und Duotontafeln, 49,80 €