: Vermögensteuer
Sie ist die perfekte Steuer: Sie dient dem Gerechtigkeitsempfinden der Mehrheit und sie verschafft dem Staat Einnahmen, ohne die Wirtschaft wesentlich zu belasten. Deshalb war es kein Zufall, dass sich mit Niedersachsens Exministerpräsident Sigmar Gabriel ein sozialdemokratischer Wahlkämpfer die Idee auf die Fahne schrieb – bis der Kanzler sie kassierte.
Zusammen mit Nordrhein-Westfalen schlug Gabriel vor, Geldvermögen ab 300.000 Euro bei Singles und 600.000 Euro bei kinderlosen Paaren mit einem Prozent zu besteuern. Für Kinder sollte der Freibetrag um jeweils 200.000 Euro steigen.
Auf der Basis eines leicht variierenden Modells hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW, Berlin) berechnet, wie viele Haushalte in Deutschland damit belastet würden: Etwa drei Millionen von insgesamt 36,8 Millionen. Damit würde die Vermögensteuer zielgenau bei den zehn Prozent der Bevölkerung ansetzen, die immerhin die Hälfte allen Vermögens besitzen. Das wäre verteilungspolitisch so nachvollziehbar wie ökonomisch sinnvoll. Zu den wirtschaftlichen Grundweisheiten gehört, dass Wohlhabende in der Regel einen relativ geringeren Teil ihres Geldes für Konsum ausgeben als Ärmere. Die Vermögensteuer würde deshalb die geringe Nachfrage und die Konjunktur nicht weiter drücken.
Trotz der großzügigen Freibeträge im Modell von Niedersachsen und NRW rechnete man mit gesamtstaatlichen Mehreinnahmen von rund neun Milliarden Euro. Zum Vergleich: Die Kürzung der Arbeitslosenhilfe auf Sozialhilfeniveau bringt drei Milliarden Euro.
Als Gegenargument führt etwa der Bund der Steuerzahler an, dass Milliarden Euro Kapital ins Ausland transferiert würden. Diese rhetorische Allzweckwaffe trifft nur zum Teil: Selbst in Kombination mit der Erbschaftssteuer würde die Belastung in Deutschland mit 1,9 Prozent unter den Sätzen der USA (3,1 Prozent), Japans (2,9) und selbst der Schweiz (2,9) liegen.
Als einziges ernsthaftes Gegenargument bleibt die Durchsetzbarkeit: Die Union würde Rot-Grün im Bundesrat vermutlich eine Niederlage bereiten, die das Image der Bundesregierung nicht fördert.
Was für die Vermögensteuer zutrifft, gilt im Prinzip auch für die Erbschaftssteuer. Von heute sehr niedrigem Niveau aus (Beginn bei sieben Prozent Steuersatz) könnte man sie erhöhen, ohne ökonomisch kontraproduktiv zu wirken. HANNES KOCH