: Beitrag steigt weiter
Die Rentenversicherung gerät außer Kontrolle. Statt wie versprochen zu sinken, steigt der Beitrag nach neuer Schätzung auf 19,8 Prozent
BERLIN ap/taz ■ Der Rentenbeitrag wird nach derzeitigem Stand zum 1. Januar 2004 von 19,5 auf 19,8 Prozent steigen. Sozialstaatssekretär Franz Thönnes bestätigte gestern diese Schätzung der Rentenversicherer. Dies sei aber nur eine „Momentaufnahme“. Sozialministerin Ulla Schmidt erwarte, dass die Konjunktur anziehe und der Beitragssprung noch abgewendet werden könne. Union und FDP vermuteten hingegen, dass die 20-Prozent-Marke übersprungen werde.
Erst vor einem halben Jahr hatte sich die rot-grüne Koalition nach langem Tauziehen darauf verständigt, den Beitrag von 19,1 auf 19,5 Prozent anzuheben. Schon diese Erhöhung akzeptierten die Grünen nur unter der Bedingung, dass die Regierung rasch Strukturreformen beschließt, die bald wieder zu niedrigeren Sätzen führen. Einen Beitrag von mehr als 19,5 Prozent wollte der kleinere Koalitionspartner auf gar keinen Fall akzeptieren.
Auch SPD-Ministerin Schmidt versprach damals, dass es in den kommenden vier Jahren keine weitere Erhöhung des Beitragssatzes geben würde. Eine weit drastischere Erhöhung auf 19,9 Prozent war nur durch eine starke Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze abgewendet worden. Spätestens zum 1. Januar 2005, so Schmidt damals, werde der Satz wieder auf 19,3 Prozent sinken.
Jetzt erwartet der Schätzerkreis für die Rentenversicherung in seiner Frühjahrsprognose: „Schon in einem guten halben Jahr wird der Rentenbeitrag abermals steigen, von derzeit 19,5 auf 19,8 Prozent des Bruttolohns.“ Thönnes betonte jedoch, ausschlaggebend sei die Schätzung nach dem dritten Quartal im Oktober. Vorher sei eine Vorhersage zum Beitragssatz Spekulation. Die Regierung erwarte, dass die Arbeitsmarktreformen bald wirkten und die Reformagenda 2010 als Impuls für die Wirtschaft diene.
Der baden-württembergische Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) und die bayerische Sozialministerin Christa Stewens (CSU) äußerten harsche Kritik. Den Menschen die Erwartung einer Konjunkturerholung vorzugaukeln, sei unverantwortlich, erklärte Teufel. Stewens sprach von einem Offenbarungseid. Es sei nun Zeit zu handeln. Thönnes ließ die Frage allerdings offen, ob noch in diesem Jahr weitere Korrekturen am Rentensystem denkbar seien. Der FDP-Sozialpolitiker Heinrich Kolb unterstellte wie Teufel und Stewens, dass der Beitrag in Wirklichkeit 2004 über der 20-Prozent-Marke liegen könnte.