PHILIPP MAUSSHARDT über KLATSCH : „Weine nicht, kleine E-he-he-va“
Ohne die Schlagerband Flippers wäre ich nicht, was ich heute bin. Und nie aus der SPD ausgetreten. Danke, Flippers
Ohne die Flippers wäre ich nicht, der ich bin. Jedenfalls hätte ich Brigitte nicht getroffen, der kleinen Französin aus Grenoble, und ohne Brigitte wäre ich nicht aus der SPD ausgetreten. Und wäre ich nicht ausgetreten, wäre ich ja, oh Gott, wahrscheinlich noch Mitglied und säße vielleicht heute im Gemeinderat von Kirchentellinsfurt. Ich bin den Flippers wirklich sehr dankbar.
Ohne die Flippers hätte ich mir diesen Zündapp-Roller niemals leisten können, mit dem ich 1975 nach Südfrankreich fuhr, nein, fahren wollte, weil ich ja in Grenoble bei Brigitte hängen blieb, die mir mit ihren linksradikalen Ideen den Kopf verdrehte.
Die Flippers?
„Weine nicht kleine E-he-he-va, wenn ich heut auch von dir geh.“
In der Eisdiele „Soravia“ lief das Lied immer. Zumindest wenn ich dort war und die Musikbox bediente. Was mich insofern heute erstaunt, als dass ich mich über diese Textzeile hinaus nicht mehr an den Fortgang des Schlagers erinnern kann. Aber damals konnte jeder mitsingen, was meine Einkünften als 16-jährigem Schüler sehr zugute kam. Denn in Reutlingen hatte ich das Monopol auf Flippers-Autogramme. Das Stück für fünfzig Pfennig.
Einer der Flippers wohnte im Dachgeschoss von Tante Karin in Knittlingen. Knittlingen bei Pforzheim. So klang auch die Musik. Ziemlich abgelegen. Aber damals war Knittlingen nicht als Geburtsstadt von Doktor Faust so berühmt, sondern wegen der Flippers. Und Tante Karin hatte immer einen dicken Stapel mit Postkarten der Flippers in der Tasche, wenn sie zu Besuch kam. Nun musste ich nur noch die Unterschriften der Bandmitglieder Bernd, Manfred und Olaf fälschen, und das Geschäft mit den begehrten Autogrammkarten lief wieder wie geschmiert.
Meine Flippers-Unterschriften sahen mit der Zeit immer echter aus. Kein Autogrammjäger schöpfte je Verdacht. Ich wunderte mich zwar schon damals darüber, dass Mitschüler bereit waren, für eine Unterschrift Geld zu bezahlen, aber offenbar war erst dieser hingekritzelte Name der Beweis dafür, dass ihr Star wirklich lebte. Etwas teurer waren die Flippers-Postkarten, auf die ich eine persönliche Widmung schreib: „Für Martina, dein Bernd, Manfred, Olaf.“ Oder: „Ganz liebe Grüße an Regine, Bernd, Manfred, Olaf.“
Ich tat so, als hätte ich die Sonderwünsche extra in Auftrag gegeben. Diese Widmungen waren Liebesbeweise. Bernd, Manfred und Olaf hatten es nur für sie getan. Ihre Zeit geopfert, um ihren Namen zu schreiben: zwei Mark fünfzig.
Was müssen die Menschen enttäuscht gewesen sein, als im Zuge der Ermittlungen gegen Peter Graf herauskam, dass Steffi Graf einen so genannten „Autografen“ besaß, eine Maschine, die die Unterschrift mit Tinte auf die im Hunderterpack eingelegten Postkarten schrieb. Mit diesem Autografen, so behauptete ihr Anwalt damals, seien auch die Steuererklärungen unterschrieben worden. Eine der schönsten und lustigsten Lügen, die ich je vor Gericht gehört habe.
Dass es solche Maschinen überhaupt gab, war mir bis dahin neu, und ich stellte mir vor, wie nachts bei Prominenten leise der Autograf schnurrt, wie bei uns Normalen der Kühlschrank.
Warum mir gerade jetzt die Anschlusszeile von „Weine nicht kleine E-he-he-va“ einfällt, kann ich auch nicht sagen: „Tut der Abschied dir auch weh.“ Reimt sich auf „wenn ich heut auch von dir geh.“ Vielleicht fiel es mir ein, weil das aktuelle Album der Flippers – ja, es gibt sie tatsächlich noch! – „Immer, immer wieder“ heißt. Bernd, Manfred und Olaf sind auf dem darauf abgebildeten Foto etwas dicker geworden, als sie immer schon waren. „Immer, immer wieder.“
Ein Titel, in dem die ganze Tragik alternder Schlagerstars inbegriffen ist: Die Fans wollen heute noch die kleine Eva hören. „Hossa“, rief genau aus diesem Grund Rex Gildo vor ein paar Jahren und sprang aus dem Fenster.
Übrigens: Ich spare gerade wieder auf ein neues Auto. Diese Kolumne ausschneiden und mit Rückporto und 50 Cent versehen. Das ist für ein Autogramm von mir echt günstig.
Fragen zu den Flippers? kolumne@taz.de Dienstag: Jenni Zylka über PEST & CHOLERA