: Mit Kondom zur Revolution
Radikale Oppositionelle in Simbabwe haben eine neue Art der Öffentlichkeitsarbeit erfunden: Kondome mit regierungsfeindlichen Parolen. Die subversiven Gegenstände kommen aus den USA
VON DOMINIC JOHNSON
„Es ist Zeit, hart zu werden“, heißt es im Aufruf der simbabwischen Oppositionellen: „hart gegen Aids, hart gegen Geschlechtskrankheiten und hart gegen die Diktatur. Schützt eure Gesundheit, schützt euren Partner, stoppt die Mugabe-Krankheit“. Der Appell an Simbabwes Jugend endet mit dem berühmten Bob-Marley-Songtitel „Get Up, Stand Up“. Und diese eindeutige Parole ziert im Aufruf und jetzt auch immer öfter in der Wirklichkeit die Verpackung von Kondomen.
650.000 mit „Get Up, Stand Up“-Aufklebern versehene Kondome will die radikale Oppositionsgruppe Zvakwana („Es reicht“) in Simbabwe an den Mann gebracht haben, seit sie sich im November darauf besann, dass das Private politisch ist. Die 2002 gegründete Untergrundgruppierung versucht, Simbabwes Jugend für eine Massenbewegung zum Sturz des Willkürherrschers Robert Mugabe zu begeistern, und beruft sich auf Südafrikas Antiapartheidbewegung sowie auf die schwarzen Bürgerrechtler in den USA der 60er-Jahre. „Get Up, Stand Up“ benutzt die Gruppe nicht nur für Kondome, sondern sie verbreitet auch eine gleichnamige CD mit rebellischen Liedern.
Bei der Unabhängigkeitsfeier 1980 hatte Bob Marley persönlich „Get Up, Stand Up“ vor einem begeisterten Mugabe gesungen. Damals war Simbabwe noch eines der wohlhabendsten Länder Afrikas. Heute, nach der Zerschlagung der Landwirtschaft und der andauernden Verfolgung politischer Gegner, ist Simbabwe zum Armenhaus des südlichen Afrika herabgesunken. Drei Millionen der 14 Millionen Bewohner sind ausgewandert, vom Rest sind sechs Millionen von Hungerhilfe abhängig.
Rund ein Drittel der erwachsenen Bevölkerung Simbabwes ist HIV-positiv; jede Woche sterben schätzungsweise 3.800 Menschen an Aids. Regierungstreue Milizionäre und Soldaten haben die männliche Verhütung in Verruf gebracht: Sie vergewaltigen zur Einschüchterung der Bevölkerung Frauen und Häftlinge und werden eigens dafür mit Kondomen ausgestattet.
Die „revolutionären Kondome“ von Zvakwana sollen das nun ändern. 650.000 subversive Elemente, per rot-gelben Aufklebern verziert, unter den 89 Millionen Kondomen, die die staatliche US-Entwicklungshilfebehörde USAID in Simbabwe teils kostenlos verteilen will, sind zwar nicht viel. Aber für das Regime ist die Untergrundkampagne ein gefundenes Fressen.
Mugabes Regierung präsentiert sich gerne als verantwortungsvolle Kämpferin gegen Aids, die größte Plage des südlichen Afrikas. Das Kondom ist einer der wenigen Gebrauchsgegenstände, den Simbabwes Hyperinflation verschont hat: Eine Dreierpackung kostet umgerechnet ein Sechstel eines Euro-Cents. Und über die „revolutionären Kondome“ berichtete Simbabwes Staatsrundfunk pünktlich zum Auftakt einer regionalen Aidskonferenz in der Hauptstadt Harare am Mittwoch.
Es sei „nicht verwunderlich“, dass „in einer offensichtlichen Zusammenarbeit zwischen Oppositionsgruppen und US-basierten Kondomherstellern“ Kondome „mit oppositionellen politischen Botschaften“ aufgetaucht seien, schimpfte der Sender: „Die US-Regierung hat klar gemacht, dass sie auf einen Regimewechsel in Simbabwe hinarbeitet und dafür unter anderem die Medien einsetzt.“
Richtig daran ist: In Simbabwe sind Kondome heutzutage ein effektiveres Medium als Zeitungen, die ja andauernd verboten werden. Hilfreich für Mugabe, der sich als Opfer eines US-Komplotts sieht, ist die Tatsache, dass USAIDs Kondom-Vertragspartner „Population Services International“ (PSI) seine Produkte in Simbabwe von Coca-Cola vertreiben lässt. Der Vertrieb von US-Kondomen in Simbabwe und auch in Sambia läuft über die roten Lastwagen des Getränkegroßhandels, die das braune Gesöff – und eben auch pro Monat 157.000 Kondome – bis ins hinterste Dorf bringen. Ein perfektes subversives Netzwerk.
US-Diplomaten in Simbabwe wiesen die Vorwürfe zurück: Für einen Regimewechsel hätte man ganz andere Mittel. Auch Zvakwana hat schon neue Pläne. Nach Bob Marley spannte sie zum Valentinstag im Februar Aretha Franklin ein: „Sisters Are Doing It For Themselves“. Auch eine Art Aidsprävention.