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Archiv-Artikel

Vom Helfer zum Ironman

Neun Jahre lang war Kai Hundertmarck als Domestike beim Team Telekom angestellt. Dann hatte er seine Schuldigkeit getan – und musste gehen. Jetzt will er sein Geld mit Triathlon verdienen

„Ich habe mich vor einem Zeitfahren noch nie 3,8 Kilometer warm geschwommen“

AUS EPPSTEIN FRANK KETTERER

Die Vergangenheit hängt an der Wand im Wohnzimmer, und sie ist grün. Nur ein Wort und seinen Namen hat Erik Zabel auf das Trikot gemalt, das dort eingerahmt und hinter Glas zu sehen ist: Danke! Manchmal sagt ein Wort mehr als tausende, und redlich verdient hat sich Kai Hundertmarck Dank samt Trikot des schnellen Eriks ohnehin, da gibt es keinen Zweifel: Neun Jahre lang fuhr der 34-Jährige in Diensten des Team Telekom, das neuerdings ja Team T-Mobile heißt. Er war einer der Domistiken bei der radelnden Betriebssportgruppe, ein Helfer für die Stars wie Zabel und Ullrich, ihr Wasserträger. Siebenmal ist der gebürtige Rüsselsheimer die Vuelta gefahren, fünfmal den Giro d’Italia, einmal die Tour de France – und immer hat er sich aufgeopfert für die Chefs und seine eigenen Interessen hinten angestellt. So ist das im Radsport – und bei den Telekoms ist es bisweilen so, dass das irgendwann nichts mehr zählt. Bei Hundertmarck war das letzten Sommer der Fall. „Da wurde mir einfach mitgeteilt, dass ich nicht mehr in die Mannschaft passe und dass sie nicht mehr mit mir planen“, erzählt er. Sehr geschäftsmäßig sei es bei dem Gespräch mit Walter Godefroot und Mario Kummer, der sportlichen Leitung, zugegangen. „Das war schon hart“, erinnert sich Hundertmarck. Mehr will er nicht sagen, nur so viel noch: „Es ist nicht so, dass ich denen jetzt extrem böse bin.“

Es ist aber auch nicht so, dass er schon aufhören will, Sportler zu sein. „Ich wäre gerne noch ein, zwei Jahre gefahren. Ich fühle mich nicht ausgebrannt“, sagt Hundertmarck. Eine neue Mannschaft hat er dennoch nicht gefunden. Das Ausland kam für den 34-Jährigen schon wegen Freundin Claudia und Töchterchen Nele nicht in Frage, bei einem einheimischen Team aus der zweiten oder dritten Reihe wollte er nicht fahren, dafür, sagt er, „hätte meine Motivation nicht ausgereicht“, beim Team Gerolsteiner wiederum, der zweiten deutschen GS-I-Mannschaft, war kein Platz mehr frei. „Da hab’ ich mir gesagt: Probier mal was Neues!“, sagt Kai Hundertmarck.

Das Neue ist ein bisschen das Alte, aber doch nur zu einem Drittel – und über 180 Kilometer. Außerdem hinzu kommen 3,8 km Schwimmen davor sowie 42,195 km Laufen danach. Man nennt das Triathlon, Ironman. Ein solcher will Kai Hundertmarck werden. Das heißt: Ein bisschen ist er es schon, zumindest im Training. Vor allem dem Schwimmen gehört seit November seine Aufmerksamkeit, vier- bis fünfmal die Woche vier bis fünf Kilometer stehen derzeit im Training beim Schwimmclub Wiesbaden auf dem Programm, seine 1.500-m-Zeit hat er seit Ende letzten Jahres um satte sechs Minuten gedrückt, 24 Minuten braucht er nun dafür. Tendenz: weiter fallend. Beim Radfahren muss er sich nur mehr oder weniger in Schuss halten, ums Laufen wiederum ist es noch nicht ganz so gut bestellt, man kann das durchaus sehen: Es wirkt doch etwas hölzern.

Nun ist es so ganz neu ja nicht, dass ein Radprofi zum Dreikämpfer wird. Vor vier Jahren war es Hundertmarcks Telekom-Kollege Udo Bölts, der beim Ironman Hawaii an den Start ging. So richtig vergleichen kann man das dennoch nicht. Bölts machte damals nur einen Ausflug zu den Eisenmännern und absolvierte den Wettbewerb mehr oder weniger aus dem normalen Training heraus. Davor war er Radprofi – danach wieder. Entsprechend hatte er nur ein Ziel: ankommen, finishen.

Bei Hundertmarck ist das anders. Er sieht sich jetzt als Triathlet. Er will Geld mit diesem Sport verdienen, und er will mehr als nur ins Ziel kommen. Hundertmarck sagt: „In zwei, drei Jahren hoffe ich, in die Weltspitze vorstoßen zu können.“ Bezüglich Punkt eins kann der Mann aus dem rheinland-pfälzischen Eppstein schon durchaus Erfolge vorweisen. „Mein Name hat mir da echt weiter geholfen“, sagt Kai Hundertmarck, und es klingt ein wenig erstaunt darüber, wie weit ihm das Gütesiegel Hundertmarck geholfen hat. Die drei Hauptsponsoren jedenfalls waren ziemlich schnell unter Dach und Fach, sollte es auch mit den Co-Sponsoren so klappen, wie Hundertmarck sich das vorstellt, „dann läuft das ungefähr auf das Gleiche hinaus, wie ich bei Telekom verdient habe“. Damit dürfte der ehemalige Radprofi zu einem der besser verdienenden Berufs-Triathleten aufsteigen – und das, noch bevor er seinen ersten Ironman absolviert hat. Der soll am 11. Juli in Frankfurt stattfinden – und damit just an jener Stelle, an der der 34-Jährige mit seinem Sieg bei „Rund um den Henninger Turm“ vor vier Jahren seinen größten Erfolg gefeiert hat.

Was Kai Hundertmarck diesen Juli in Frankfurt erwartet, weiß er nicht, jedenfalls nicht so richtig. Hundertmarck sagt: „Ich habe mich vor einem Zeitfahren noch nie 3,8 km warm geschwommen.“ Und selbst das Radfahren kennt er in dieser Form nicht, Zeitfahren über 180 km Länge sind im Profiradsport eher unüblich. „Das Negative ist, dass ich keine Ahnung habe, was ich über 180 km fahren kann“, weiß er. Er weiß aber auch: „Das Positive ist, dass auch meine Gegner keine Ahnung haben, was ich fahren kann.“ Fest dürfte nur stehen, dass es ein ziemlich schnelles Rennen wird, zumindest auf dem Rad. Und fest steht auch Hundertmarcks Ziel: „Möglichst als Erster vom Rad steigen.“ Das ist er seinem Ruf schuldig. Und doch besteht genau darin die große Gefahr: So ein Ironman ist ein ständiges Haushalten mit den Kräften. Wer in einer Disziplin überzockt, muss in der anderen dafür bluten, garantiert. Selbst für erfahrene Profis macht das den Wettkampf stets zu einer Gratwanderung. Auch Hundertmarck ist sich bewusst, dass er es auf dem Rad nicht übertreiben darf, Bestzeit hin oder her. „Wenn ich früher 180 km nahe am Anschlag gefahren bin“ erzählt er, „konnte ich anschließend noch nicht einmal mehr gerade zum Mannschaftsbus gehen.“ Diesmal muss er noch einen Marathon laufen. Das könnte ein Problem werden.

Es wird auf jeden Fall das sein, was er derzeit am wenigstens kann, schon weil er es am wenigsten trainiert hat. Mehr als 20 km am Stück ist er bisher jedenfalls noch nicht gelaufen. Durchkommen, ja, das traut er sich auf jeden Fall zu. Aber wie? Dreieinhalb Stunden? Vielleicht vier? Hundertmarck zuckt mit den Schultern. Ich weiß es nicht, soll das heißen. Und: ist mir im Moment auch egal. „Ob ich am Ende 40. oder 80. werde, interessiert mich gar nicht so. In diesem Jahr will ich den Marathon einfach nur durchstehen.“ Egal wie. Hundertmarck weiß: „Einen viel größeren Schlag tut es doch, wenn ich als Erster vom Rad steige.“ Er weiß auch, dass die Sponsoren das ganz bestimmt gerne sehen würden.

Für den Rest will er sich Zeit lassen. Frankfurt soll ja nur der Anfang sein. „Ich kann nicht alles, was sich die Weltklasse-Triathleten in fünf, sechs Jahren erarbeitet haben, in einem Jahr wettmachen“, sagt er. Auch die Sponsoren wissen das, die Verträge sind alle auf mindestens zwei Jahre ausgerichtet. Kai Hundertmarck sagt: „Marc Allen hat noch mit 38 auf Hawaii gewonnen.“ Er wird diesen Monat 35.