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Archiv-Artikel

„Man muss die Dinge groß machen“

Seit 25 Jahren der vielleicht einflussreichste Botschafter des Reggae: David Rodigan legt am Donnerstag im Echochamber auf

Interview: NILS MICHAELIS

Vor 25 Jahren begann der in Deutschland geborene Brite David Rodigan bei der BBC als Reggae-Radio-DJ. Weil inzwischen Radiostationen weltweit seine Sendungen spielen, gilt Rodigan als einer der einflussreichsten Botschafter des jamaikanischen Reggae und Dancehall. Wiederholt konnte man den mittlerweile 52-Jährigen auch live in deutschen Clubs erleben. taz hamburg sprach mit Rodigan, der jetzt in Hamburg gastiert.

taz hamburg: Diese Tour feiert ihr Dienstjubiläum – was genau begann vor 25 Jahren?

David Rodigan: 1978, am 12. März, um genau zu sein, wurde mir von der BBC die Chance gegeben, eine Reggaesendung zu machen. Eine Art Testsendung – und ich habe diesen Test bestanden. So begann meine Karriere als professioneller Radiomacher.

Dabei hatte die BBC Reggae lange ignoriert. Trotz guter Plattenverkäufe versteckte sich der Sender hinter dem Argument, Reggae sei unpopulär.

Das ist richtig. Doch dann, ich glaube, es war 1972, wurde neben den vier landesweiten Programmen eine Kette lokaler Radiostationen aufgebaut. Man wollte damit auf die Bedürfnisse von Minderheiten in bestimmten Gegenden reagieren. Neben sozialen Belangen ging es in diesen Sendungen auch um Musik. Für die große in London ansässige Community jamaikanischer Auswanderer gab es das Programm „Black London“, wo jeden Sonntagnachmittag „Reggae-Time“ lief, jene Sendung, die ich dann 1978 übernahm.

In den 70er Jahren konnte man Sie als Shakespeare-Schauspieler auf britischen Bühnen sehen. Beim Plattenauflegen schlüpfen Sie in die Rolle des Showmans und feuern ihr Publikum an. Wie stark fließen Ihre Erfahrungen als Schauspieler ein?

Wenn ich als Showman auftrete oder verschiedene Kostümierungen trage, sind dabei durchaus Theatererfahrungen präsent. Leute zu unterhalten, ist auch ein Stück harte Arbeit. Ich erinnere mich, wie ich den Mortimer in Shakespeares König Heinrich der Vierte spielte. Ich kam auf die Bühne und vollführte eine Geste, die der Regisseur als viel zu schwach kritisierte. Er sagte, dass jede Bewegung so deutlich sein muss, dass sie auch bei den hinten sitzenden Leuten auf den billigen Plätzen ankommt. Und das gilt auch für Soundclashes: Man muss die Dinge groß machen, um mit dem Publikum kommunizieren zu können.

Seit drei, vier Jahren erleben Reggae und Dancehall in Deutschland einen Boom. Was unterscheidet die heutige Situation von jenem Boom, den seinerzeit Bob Marley auslöste?

Bob Marley machte zunächst einmal die Bahn frei. Inzwischen entdecken junge Leute in der Schweiz, in Italien, vor allem aber in Deutschland, Reggae als Underground-Musik. Reggae ist für sie die ultimative Rebellen-Musik. Wer jung ist, will die Welt verändern, und tatsächlich brechen viele auf und verändern die Welt, was nicht selten auf ihre musikalischen Inspirationen zurückgeht. Ich finde es faszinierend, wie ausgerechnet die Kultur der Jamaikaner das Leben von Jugendlichen in Europa verändert. Das spiegelt sich in allen Lebensbereichen: wie sie reden und gehen, in ihrer Kleidung und natürlich der Musik.

Seit Marleys Tod hat es nie wieder einen Star wie ihn gegeben. Mangelt es am Nachwuchs oder fehlt eine Figur wie Chris Blackwell, einst Besitzer von Marleys Plattenfirma Island, und deren geschicktes Marketing?

Beide Gründe treffen zu. Marketing ist sehr wichtig und Chris Blackwell war ein Meister in der langfristigen Planung von Marleys Karriere. Genau daran mangelt es heutigen Plattenfirmen. Ihre Perspektive übersteigt kaum die Frage, wie viel Geld man mit einem Künstler in diesem Jahr verdienen kann. Wenn er das Gewinnziel nicht erreicht, wird er rausgeschmissen. Hätte man Marley so behandelt, er hätte nie eine zweite Platte machen können. Dafür verkaufen sich seine Platten heute, über 20 Jahre nach seinem Tod, noch immer. Andererseits war Marley ein außergewöhnliches Talent. Es wird nur einen Bob Marley geben, so wie es nur einen Elvis gegeben hat. Sicher wird eines Tages jemand von seinem Format auftauchen. Zurzeit sehe ich einen solchen Künstler aber nicht.

mit Cutty Ranks und Barney Millah: Donnerstag, 23 Uhr, Echochamber