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Archiv-Artikel

Notwendig den Nerv treffen

Gerhard Schröder fischt an der Basis: In der überfüllten Fischauktionshalle wirbt der Bundeskanzler und SPD-Vorsitzende auf der Regionalkonferenz für die „Agenda 2010“. Schwer wurde es ihm nicht gemacht. Für einen Punktsieg reichte es locker

von SVEN-MICHAEL VEIT

Von Anfang an machte er klar, wer hier den Kurs vorgibt: „Faule Kompromisse sind mit mir nicht zu machen“, stellte Bundeskanzler und SPD-Parteichef Gerhard Schröder klar und forderte zugleich „mehr Realitätssinn“ ein: Die Reformen seien „notwendig“, auch wenn sie „den Nerv und die Seele der Sozialdemokratie treffen“. Der Applaus übertönte die wenigen Buh-Rufe deutlich. In der überfüllten Fischauktionshalle trat Schröder gestern Abend vor die norddeutsche SPD-Basis, um sein „Reformkonzept Agenda 2010“ zu verteidigen. Mehr als 700 Delegierte aus vier Bundesländern waren ohnehin in die Halle gekommen, und weitere 500 SPD-Mitglieder hatten sich offiziell angemeldet. Auch die Bürgerschaftsfraktion trat nahezu geschlossen auf, auf ihren Wunsch hin war die Sitzung des Parlaments am Nachmittag extra verkürzt worden.

Für eine „kritische Debatte über die Zukunftssicherung der Sozialsysteme“ hatte zu Beginn der Konferenz SPD-Generalsekretär Olaf Scholz geworben. Gerade für Sozialdemokraten sei es wichtig, „breit zu diskutieren, bevor sie handeln“, so Scholz.

Dass es zu handeln gelte, stellte anschließend Schröder in seiner etwa 20-minütigen Rede klar. Die „Zeit des Rosinenpickens“ sei vorbei, nötig sei die „Einsicht, dass Entscheidungen, auch bittere und schmerzhafte, getroffen werden müssen“. Er sei bereit, „mit jedem, der das möchte, darüber zu streiten, dass die Modernisierung der Sozialsysteme unabdingbar ist“. Das Festhalten an dem, „was uns einst lieb und leider auch teuer war“, gefährde „die Substanz sozialer Gerechtigkeit“.

Es gebe keine Alternative zu der „sinnvollen Balance“ zwischen Wachstumsimpulsen und der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte, so Schröder. „Wir können nicht länger eine Sozialpolitik machen, die nur gibt“, wichtig sei in Zukunft, „die Menschen wieder fit für die Arbeit zu machen“. Deshalb enthalte die Agenda 2010 ja gerade auch ein umfangreiches Programm, mit dem Sozialhilfeempfängern der Einstieg in Beschäftigung erleichtert werden solle.

Die Reform sei, räumte Schröder ein, „kein Patentrezept“, aber das, „was ich für verantwortbar und richtig halte“. Über ein paar „Details“ könne man noch reden, aber: „Der Weg ist klar.“ Zwar dürfe jeder denken, was er für richtig halte, „aber auch ich lasse mir nicht vorschreiben, was ich zu denken habe“.

Die Aussprache über Schröders Agenda, zu der die Basis geladen worden war, dauerte bei Redaktionsschluss noch an.