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Archiv-Artikel

Rivalität auf Hochschulniveau

Der Nordwesten als hochschulpolitische Kraterlandschaft: Mit Vera Dominke scheitert die dritte PräsidentIn der größten niedersächsischen Fachhochschule. Jetzt reicht es auch dem RCDS

Von Henning Bleyl

Der „Ring Christlich-Demokratischer Studenten“ (RCDS) bezeichnet sich als „unionsnah, aber parteipolitisch unabhängig“. Die aktuellen Verwerfungen der nordwestdeutschen Bildungslandschaft geben dieser Selbsteinschätzung Recht: Der RCDS „Nordwest“ verlangt, dem Christdemokraten Josef Lange die Zuständigkeit für die niedersächsischen Fachhochschulen zu entziehen – in Bezug auf einen Wissenschaftsstaatssekretär eine weitreichende Forderung.

Anlass ist die am Dienstag erfolgte Abwahl von Vera Dominke als Präsidentin der FHOOW – das Abkürzungs-Ungetüm steht für „Fachhochschule Oldenburg / Ostfriesland / Wilhelmshaven“. Für RCDS-Chef Matthias Bullmahn ist sie ein Ausfluss von „politischen Machtspielen, die nicht zuletzt auf dem Rücken der Studierenden ausgetragen“ würden. Bullmahn: „Es ist schwer zu glauben, dass die CDU eine Bildungspartei ist.“

Bullmahn kann sich solche Angriffe erlauben, seine RCDS-Gruppe ist die bundesweit einzige, die an einer Hochschule derzeit die studentischen Gremien dominiert. Und das satt: An der FHOOW hat der RCDS eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Studierendenparlament und stellt sämtliche studentischen Senatsmitglieder. Man kann davon ausgehen, dass es eben diese drei Stimmen waren, die Dominke am Dienstag nicht abgewählt haben.

Was der 55-Jährigen von den 13 übrigen Senatsmitgliedern genau vorgeworfen wird, wird geheim gehalten. Der Antrag war noch nicht mal begründet: Nach Paragraph 40 des Niedersächsischen Hochschulgesetzes ist das zulässig, wirft aber ein bezeichnendes Licht auf die hochschulinterne Streitkultur. Im Ergebnis scheitert mit Dominke die dritte PräsidentIn der FHOOW an der Aufgabe, in den fünf Standorten auch annähernd so etwas wie eine Corporate Identity zu etablieren.

Mit 10.000 Studierenden ist die FHOOW die größte des Landes, entstanden aus der im Jahr 2000 vom Land gesetzlich verordneten Fusion. Die regionale Streuung reicht bis Elsfleth. Zwischen den Standorten gibt es erbitterte Rivalitäten mit entsprechenden Meuchel-Potenzialen. Allerdings: „Das alles jetzt nur auf Intrigen zu schieben, wäre billig“, sagt die ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Dominke der taz.

Nichtsdestoweniger ist auch auf diesem Feld einiges passiert. Ein Beispiel unter vielen: Bei einem Symposium in Emden sollte Dominke ein Grußwort sprechen, wurde aber erst unmittelbar vor Beginn der Veranstaltung darüber informiert, dass das auf Englisch vorzutragen sei – in der Ostfriesen-Zeitung lebt die Anekdote bis heute in dem Urteil fort, Dominke sei häufig „schlecht vorbereitet“ zu Terminen erschienen. Dass man Dominke insbesondere in Emden gern ins Messer laufen ließ, hat System: Die Rivalität zwischen Emden und Oldenburg ist eine der verheerendsten Unwuchten innerhalb des FH-Konglomerats. Dominke war Ende der 90er Präsidentin der seinerzeit noch selbstständigen Oldenburger FH, gilt insofern als anti-ostfriesisch.

Weitere Zentrifugalkräfte entfalten beispielsweise die Wirtschaftsfachbereiche: Der Wilhelmshavener ist in diverser Hinsicht erfolgreicher als der in Emden tradierte, muss aber im kommenden Jahr um die bislang nur vorläufig erteilte Akkreditierung seines Bachelor-Studiengangs fürchten: Hintergrund ist die Blockade von fünf ProfessorInnen-Stellen, die zur Einhaltung der Normzahl fehlen.

Vor diesem Hintergrund verwundert wenig, dass der Abwahl-Antrag durch eine Emder Wirtschaftsprofessorin eingebracht wurde. Entscheidend dürfte letztlich aber Dominkes mangelnde Rückendeckung in Hannover gewesen sein. Dass der morgen dort tagende Hochschulrat Dominkes Abwahl bestätigt, gilt als sicher. Gleichzeitig will Wissenschaftsminister Lutz Stratmann (CDU) bei dieser Gelegenheit seine „Struktur-Reform-Gespräche“ weiterführen.

Auch die universitäre Ebene ist an diesen Planspielen wieder beteiligt: Noch 2003 hatten sich die Oldenburger vehement geweigert, in die FH-Fusionen einbezogen zu werden. Das Ministerium verweist deswegen gern auf das Lüneburger Beispiel – dort pflegen die UniversitätsprofessorInnen ihre neuen Kollegen juristisch zu beharken, wenn sie etwa Promotionen betreuen.