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Archiv-Artikel

Der Kreml jetzt in Bonn

In der BRD Ausstellungshalle sind rund 300 hochkarätige Exponate aus der Rüstkammer und anderen Großmuseen des Kreml zu sehen, darunter auch ein wieder ausgebuddelter Silberschatz

VON HOLGER ELFES

Beim Kampf um die Macht im Kreml werden mitunter harte Bandagen angelegt. Nicht nur jetzt, kurz vor den russischen Präsidentschaftswahlen, ist das so. Auch vor Jahrhunderten taten ehrgeizige Großfürsten und Zaren, Metropoliten und Patriarchen alles, um Krone oder Mitra an sich zu bringen. Dem Mythos Kreml will die Ausstellung „Gottesruhm und Zarenpracht“ in der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland näher kommen.

Rund 300 hochkarätige Exponate – Ikonen, Goldschmiedearbeiten, historische Stadtpläne, Textilien, Waffen – sind zu sehen. Die meisten davon aus der Rüstkammer und den anderen Großmuseen des Kreml, alles erstmals außerhalb von Moskau. Sie geben einen beeindruckenden Einblick in den rasanten Aufstieg einer Provinzfestung am Fluss Moskwa zur Regierungszentrale einer Supermacht. Eigentlich standen die Chancen dafür eher schlecht. Fernab des alten russischen Machtzentrums Kiew war der nur mit Palisaden befestigte Holz-Kreml des mittelalterlichen „Moskow“ leichte Beute für die 1237 eingefallenen mongolischen Reiterscharen. Ihren in der Ausstellung zu bestaunenden Silberschatz verbuddelten die Großfürsten noch schnell. Und zwar so gut, dass die letzten Stücke erst 1988 bei Grabungen wieder ans Tageslicht kamen. Mit der Befreiung von den Mongolen schlug dann die große Stunde Moskaus, das eine Vorreiter-Rolle im Kampf gegen die Besatzer spielte. Als dann auch noch die orthodoxe Kirche ihren Sitz im Kreml nahm und Großfürst Iwan III. die letzte überlebende byzantinische Prinzessin heiratete, war die neue imperiale Staatsidee von Moskau als dem „dritten und letzten Rom“ geboren. Von dieser Interessen-Vermischung des Staats und der Geistlichkeit zeugen wertvolle Ikonen, wie die spätmittelalterlichen wundertätigen Marienbilder der Smolenskaja und der Wladimirskaja, mit denen sich der Kreml des göttlichen Beistands versichern wollte. Selbst der rote Zar Stalin ließ, als die deutschen Panzer vor den Stadttoren standen, die Kasanskaja Gottesmutter per Flugzeug dreimal um Moskau herumfliegen. Spätestens mit der Regentschaft Iwans des Schrecklichen, dessen Spitzhelm und goldene Trinkgefäße gezeigt werden, interessierte sich auch der Rest Europas für das mächtig expandierende Moskauer Reich. Prachtvolle Gesandschaftsgeschenke bilden einen Großteil der Ausstellung. Mit kunstvollem Silberschmuck, Prunkwaffen und wertvollen Stoffen wollten sich Osmanen, Deutsche und Schweden gleichsam die Kunst der Zaren erkaufen. Mit den Auslandskontakten einher kam die langsame Verwestlichung des Russischen Reichs. Den Kreml, wie er heute noch fast unverändert steht, bauten im 15. und 16. Jahrhundert italienische Architekten um. Die ausgesprochen gut gemachte virtuelle 3-D-Rekonstruktion der Bauentwicklung des Palast- und Sakral-Bezirks Kreml sollte man sich unbedingt anschauen. Auch die Malerei verabschiedete sich von den engen Regeln des byzantinischen Vorbilds. Einige der ausgestellten ältesten Zarenportraits zeugen von dieser „Kultur-Revolution“. Noch weiter trieb es Peter der Große, dessen golddurchwirkter Gala-Kaftan seine imposante Körpergröße von 2.04 Meter erahnen lässt. Die neue Hauptstadt St. Petersburg errichtete er an der Ostsee. Die Patriarchen blieben schmollend im alten, heiligen Moskau, dem lediglich der Ehrentitel “Erste Thronstadt“ blieb. Der Bedeutung des Kreml haben all diese Reformversuche und auch die monumentalen, aber nie ausgeführten Umbaupläne Katharinas der Großen, deren Großmodelle ebenfalls in Bonn zu sehen sind, nichts anhaben können. „Über Moskau geht nur der Kreml, und über dem Kreml ist nur Gott“, hieß es früher im russischen Volksmund. Und wenn man heute in der Tagesschau vom Kreml spricht, ist auch das ein Synonym für das ganze Russland.

Der Kreml Gottesruhm und Zarenpracht bis 31. Mai 2004, Bundeskunsthalle, Bonn www.bundeskunsthalle.de