„Freiheit kann man nicht gewaltsam durchsetzen“

Rumäniens Staatspräsident Ion Iliescu relativiert die Rolle seines Landes in der „Koalition der Willigen“. Man habe nur die Bitte eines Verbündeten erfüllt, jedoch nicht am Irakkrieg teilgenommen. Es dürfe kein Weg sein, totalitäre Systeme durch ausländische Interventionen zu beseitigen

taz: Herr Staatspräsident, Rumänien zählt zur „Koalition der Willigen“. Für den Irakkrieg hat Ihr Land den USA einen Luftwaffenstützpunkt zur Verfügung gestellt, und seit Anfang April ist im Irak eine rumänische Militäreinheit im Einsatz. Warum hat Rumänien an diesem Krieg teilgenommen?

Ion Iliescu: Es ist zu viel gesagt, dass Rumänien am Krieg gegen den Irak teilgenommen hat. Rumänien hat das Ersuchen eines Verbündeten, der Vereinigten Staaten, nach logistischer Unterstützung positiv beantwortet. Wir haben unseren Luftraum und rumänische Militärbasen für den Transit in Richtung Irak zur Verfügung gestellt.

Neben Polen hat kaum eine Regierung des früheren Ostblocks sich so eindeutig zu den USA bekannt wie die rumänische. Warum war dieser Krieg aus rumänischer Sicht notwendig?

Sicherlich, in vielen Ländern waren die Meinungen zur Intervention im Irak geteilt. Diese Intervention hatte auch ihre positive Seite, ein totalitäres Regime wurde so beseitigt. Allerdings kann es generell kein Weg sein, durch ausländische Interventionen totalitäre Regime zu beseitigen, denn durch eine solche Praxis können die Dinge sich in eine falsche Richtung entwickeln anstatt in Richtung Demokratie. Demokratie und Freiheit können nicht mit Gewalt durchgesetzt werden.

Sie gehören also nicht zu den „Willigen“, sondern zu den Skeptikern?

Lassen Sie mich etwas Allgemeines sagen: Die gefährlichste Quelle für Konflikte in der heutigen Welt ist die Diskrepanz zwischen der Armut und dem Reichtum in der Welt. Dieses Problem wird nicht mit Gewalt gelöst werden, sondern durch eine kollektive ökonomische Weltpolitik. Diese Politik darf nicht mehr so laufen wie bisher, nämlich dass sie nur dem Wohle der Reichen dient und dazu führt, dass sich die Armut der Mehrheit der Menschen auf diesem Planeten noch mehr vertieft. Wenn die Schere sich schließt, werden auch die Reichen ruhiger schlafen können.

Inoffiziell haben die USA signalisiert, dass sie aus der provisorischen Luftwaffenbasis in dem Ort Mihai Kogalniceanu gerne eine permanente machen würde.

Das ist möglich. Wir haben darüber noch nicht diskutiert. Aber wir sind offen für einen Dialog. Die Haltung der Bevölkerung reflektiert einen Geist, der die Präsenz befreundeter Verbündeter in unserem Land als positiv ansieht, denn diese Präsenz ist ja auch mit ökonomischen Vorteilen verbunden.

Die proamerikanische Haltung Rumäniens löst in Brüssel Besorgnis aus. Kommissionspräsident Romano Prodi kritisierte Ihr Land mit den Worten, Rumänien könne keine militärische Zukunft mit den USA und eine ökonomische mit der EU haben.

Auch wir sind für eine gemeinsame Sicherheitspolitik der EU, die allerdings die Notwendigkeit der euroatlantischen Solidarität nicht ignoriert. Ich möchte eines sagen: Die EU hat im Sicherheitsbereich von der Unterstützung der USA profitiert. Erst jetzt stellt sich für die EU das Problem, Strukturen zu schaffen und eine Politik zu entwickeln, die ihr eine unabhängige Rolle sichert, die Rolle eines Partners, nicht die eines Untergeordneten, die Rolle eines mit den USA gleichrangig Verbündeten. Das hat die EU bislang nicht gemacht.

Wie will Ihr Land die 1,7 Milliarden Dollar, die der Irak Rumänien schuldet, zurückbekommen?

Das wird nicht einfach. Wir sollten uns keine Illusionen machen. Der Irak ist ein sehr geschwächtes Land. Wir werden sehen, wie wir uns nützlich machen können. Wir haben den Vorteil, dass wir dort als Land bekannt sind, das nicht als Großmacht auftritt und seine Interessen durchsetzt. Unsere Spezialisten genießen im Irak Vertrauen, weil sie nicht aus einem Land kommen, das eine Tendenz zum Dominieren hat und seine unilateralen Interessen durchsetzt.

Es ist klar, dass vor allem US-Firmen am Wiederaufbau des Irak verdienen werden. Glauben Sie, dass rumänische Unternehmen beteiligt werden?

Die Projekte werden vor Ort ausgearbeitet, und sie werden auch mit der einheimischen Verwaltung koordiniert werden müssen, die erst jetzt entsteht. Sicher, die großen Konzerne werden ihre Interessen diktieren, sie werden die Regeln des Spiels festlegen. Wir, die Kleinen, werden uns sozusagen dazwischen mogeln und versuchen, mit denen zusammenzuarbeiten, die das Ganze dominieren. So wie die Großen die Weltwirtschaft beherrschen, werden sie auch den Wiederaufbau des Iraks beherrschen.

INTERVIEW: KENO VERSECK