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Archiv-Artikel

Trittin topft um

von BERNHARD PÖTTER

Der Goldesel der deutschen Öko-Szene steht in Osnabrück. Er hat „viel Geld und viel Macht“, wie der Geschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz in Deutschland (BUND), Gerhard Timm, sagt. Außerhalb der Öko-Szene, die aus Verbänden, Umweltministerien und Forschungszentren besteht, ist der stille Mäzen aus der niedersächsischen Provinz so gut wie unbekannt. Doch der Einfluss der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) ist enorm. Sie ist die größte Umweltstiftung der Welt. Ihr Vermögen umfasst ein Drittel des gesamten Etats von Bundesumweltminister Jürgen Trittin. Pro Jahr verteilt die DBU dreimal so viel Fördergeld wie das Bundesumweltministerium (siehe Kasten). Und alle Jahre wieder vergibt die DBU den höchstdotierten Umweltpreis Europas: Eine halbe Million Euro bekommen die Preisträger – die Hälfte des Preisgeldes für einen Nobel-Preis.

Nach einer Schonfrist von einer Legislaturperiode will die Bundesregierung dem grünen Goldesel nun rot-grüne Zügel anlegen. Heute Abend tritt letztmalig das alte Kuratorium zusammen, das den Generalsekretär ernennt und die Projekte auswählt. Hatte die DBU bisher eine wirtschaftsnahe und CDU-dominierte Führung, wollen nun die rot-grünen Machthaber den Fluss des Geldes neu lenken.

Denn die DBU ist ein Kind der Ära Kohl. Gelobt werden neben dem Geld, das sie verteilt, ihre Unabhängigkeit und Orientierung auf technische Lösungen. „Wir fördern Innovationen und gehen dabei Risiken ein, die keine Bank tragen würde“, sagt DBU-Generalsekretär Fritz Brickwedde. „Jeder, der am Umweltschutz arbeitet, ist uns willkommen.“

Der warme Regen aus Osnabrück speist sich aus dem vorsichtigen Umgang mit dem Stiftungskapital. Die Rechnung ging bisher auf: Förderung von Umwelttechnik für die exportorientierte deutsche Industrie, Unterstützung des Mittelstandes bei Forschung und Entwicklung und gleichzeitig die Vermehrung des Kapitals durch konservative Geldanlagen – der ehemalige Chef der Bundesbank, Hans Tietmeyer, setzte als Vorsitzender des DBU-Kuratoriums zwölf Jahre lang diese Linie durch. Heute sitzt er zum letzten Mal dem Gremium vor. Das neue Kuratorium, das turnusgemäß berufen wird, soll der Stiftung eine neue Ausrichtung verpassen. Statt reiner Technologieförderung wurde bereits vor zwei Jahren auch der Naturschutz in die Förderrichtlinien aufgenommen. Das ändert einen Zustand, der oft von Umweltschützern beklagt wurde: Zwölf Jahre hatte die reichste Umweltstiftung der Welt kaum Geld für konkreten Naturschutz oder Umweltschutzprojekte.

Die Kurskorrektur soll das neue Kuratorium gewährleisten: Den Vorsitz wird Bundesbankchef Ernst Welteke übernehmen. Ihm zur Seite stehen die Staatssekretäre aus den Bundesministerien für Umwelt, Finanzen und Verkehr. Der Bundestag wird vertreten durch Umwelt- und Haushaltsexperten der Parteien. Das Land Niedersachsen vertritt der CDU-Umweltminister Hans-Heinrich Sander. Und als Experten gehören dem Gremium Wissenschaftler wie der Greifswalder Biologieprofessor Michael Succow, der Berliner Politologe Martin Jänicke, der Öko-Unternehmer Adolf Theodor Ritter, der Präsident des Deutschen Naturschutzrings, Hubert Weinzierl, und der Chef der IG Bau Agrar Umwelt, Klaus Wiesehügel, an. Zum ersten Mal können damit Umweltschützer und Ökologen eine Mehrheit im Kuratorium organisieren.

Die Besetzung mit Politikern und Experten aus der Umweltbewegung ist eine späte Frucht des grünen Wahlerfolgs bei den Bundestagswahlen 2002. Als einen der wenigen echten Machtzuwächse konnte Umweltminister Trittin die Zuständigkeit über die Fördertöpfe der DBU in seinem Haus ansiedeln.

Die Erwartungen sind groß. Zwar attestiert etwa Kuratoriumsmitglied Reinhard Loske der Stiftung „gute Arbeit“. Auch halten sich die Vertreter der Öko-Szene mit offener Kritik an der DBU zurück – irgendwann werden sie schließlich auch wieder selbst einen Antrag auf Förderung stellen. Doch Rot-Grün plant andere Akzente als die bisherige Stiftungsarbeit. Umwelt-Staatsekretär Rainer Baake etwa will sich für eine Verschiebung der Förderschwerpunkte weg vom Denkmalschutz und hin zu „vorbeugenden innovativen Umweltprojekten“ einsetzen. Umweltbildung, Öffentlichkeitsarbeit und der „lösungsorientierte Ansatz“ werden allgemein gelobt, und das Augenmerk auf die regenerativen Energien soll verstärkt werden. Eine klare Marschrichtung für das neue Kuratorium gibt es nicht: Rot-Grün vertraut darauf, dass die einzelnen Mitglieder die Stiftung zu einem stärkeren Engagement im klassischen Umweltschutz bringen. Bisher gibt es wenige Anstöße aus der DBU in die Gesellschaft etwa in der Debatte um den Verbraucherschutz. Während andere Institutionen wie etwa das Wuppertal Institut oder das Öko-Institut die Vordenker der Öko-Bewegung in Deutschland sind, ist die DBU nur der reiche Onkel.

Und der wird immer ärmer. Das neue Kuratorium sieht sich einer dramatischen finanziellen Situation gegenüber. Denn der Absturz der Aktienmärkte hat auch die Stiftung in Mitleidenschaft gezogen: Erwirtschaftete sie noch 2000 aus ihrem Kapital einen Überschuss von 120 Millionen Euro, waren es 2001 nur noch 80 Millionen. „2002 haben wir keinen Ertrag aus unseren Anlagen gehabt“, sagt DBU-Geschäftsführer Fritz Brickwedde der taz. Die Fördergelder von 54,4 Millionen Euro mussten aus den Rücklagen der Stiftung erbracht werden.

Die Strategie der Geldanlage durch die DBU ist immer wieder ein Grund für Kritik. Der bisherige Vorsitzende Tietmeyer legte Wert auf eine „konservative Anlagestrategie“ – das bedeutete etwa 80 Prozent des Vermögens in festverzinslichen Wertpapieren, 20 Prozent in Aktienfonds. Darunter sind keine Ethik- oder Ökofonds. Brickwedde betont allerdings, die DBU beachte bei ihren Investments die Standards der Ökofonds. Trotzdem möchte Kuratoriumsmitglied Loske die Anlagepolitik der Stiftung näher unter die Lupe nehmen. Gerade bei ausbleibenden Renditen des angelegten Kapitals steht der DBU damit eine Debatte um die Anlagestrategie ins Haus: Ethisches Investment oder rein profitorientierte Geldanlagen, die Umweltschäden mitverursachen, die die Stiftung eigentlich bekämpfen soll.

Eine solche Debatte könnte bewirken, was Udo Simonis, Professor für Umweltpolitik am Wissenschaftszentrum Berlin, seit langem fordert: eine Öffnung der Stiftung zur Gesellschaft. Simonis, der im Beirat der DBU bei der Vergabe von Stipendien für Nachwuchswissenschaftler arbeitet, kritisiert die „Schieflage bei den Stipendienanträgen“. Es gebe kaum Bewerbungen von Politologen und Ökonomen, dafür sehr viel Forschung auf dem Gebiet der Biologie und der Naturwissenschaften. „Die Fragestellung ist meist, wie man ein Verfahren noch verbessern kann – und nicht, ob wir grundsätzlich auf dem richtigen Weg sind.“

Doch ökologische Megathemen wie Verkehrspolitik, Verbraucherschutz, Agrarpolitik oder internationale Nachhaltigkeitsprobleme habe die Stiftung bisher nur wenig im Blick, heißt es bei den Kritikern. Im Verkehrsbereich passiere „zur Zeit gar nichts“. Und in der Frage der Landwirtschaft, wird moniert, seien alte Seilschaften am Werk. So unterstützt die DBU das Informationssystem Integrierter Pflanzenschutz (Isip) der Landwirtschaftskammern der Länder, das den Pestizideinsatz auf dem Acker organisiert. Das Isip wurde ausgerechnet im Frühjahr 2001 aus der Taufe gehoben – als der Rest der Republik über die Agrarwende zu mehr Verbraucher- und Umweltschutz diskutierte.