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Archiv-Artikel

Mit Spaß-Faktor

Das Bildungswerk „umdenken“ der Heinrich-Böll-Stiftung wird 20. „Politik pur“, so Chefin Karin Heuer im taz-Interview, verkauft sich nicht mehr

Interview: EVA WEIKERT

taz: Sie nennen Ihre Bildungsarbeit grün-nah. Was grenzt sie vom Grünen-Parteiprogramm ab?

Karin Heuer: Wir bieten verschiedene Sichtweisen an und hoffen, dass durch unsere Art der Bildungsvermittlung die Menschen befähigt werden, sich die richtige Meinung zu bilden und die im Alltag zu leben.

Und die grüne Meinung ist immer die richtige?

Ja, als Orientierung ist die grüne Meinung immer die richtige. Unter grün-naher Bildungsarbeit verstehen wir den Diskurs über die Bundespolitik aus dem Blickwinkel der Grünen. Wir sorgen für eine Diskussion außerhalb der Partei, die unterschiedliche Perspektiven berücksichtigt. Aber immer unter Einbeziehung der Grün-Alternativen-Liste GAL, der europäischen oder der Bundes-Grünen.

Welche Themen stehen im Mittelpunkt?

Das sind die Themen Geschlechterdemokratie, der Bereich Menschenrechte und Migrationspolitik sowie Nachhaltigkeit und Globalisierung.

Was war die Motivation für die „umdenken“-Gründung vor 20 Jahren?

Parallel zur Gründung der GAL sollten deren Themen unter die Bevölkerung gebracht werden. Damals ging es noch ganz stark um Arbeiterbewegung, Hafen, Atomstrom, Frauen. Da wollte man mit staatlicher Förderung Bildungsarbeit machen.

Wie aktuell sind diese Gründungsthemen heute?

Sie haben sich verändert. Aber wir haben unsere Ursprungsanliegen nicht gänzlich verlassen. Die Themen Umwelt, Frauen und Menschenrechte bearbeiten wir heute noch. Natürlich methodisch-didaktisch anders. Und thematisch ergänzt um den globalen Aspekt.

Locken die grünen Themen noch genauso viele TeilnehmerInnen wie vor 20 Jahren?

Ich glaube, dass die grünen Themen nach wie vor von Interesse sind. Wir merken ja den Zulauf an unseren Veranstaltungen. Aber die Leute wollen anders als früher keine Politik pur. Früher ging es ihnen wirklich um das politische Thema. Die haben sich hingesetzt und sich die Politik reingezogen, weil sie den Bedarf und die Neugierde hatten. Inzwischen müssen wir Bildung häufig so verpacken, dass die Leute auch persönlich etwas davon haben.

Zum Beispiel?

Heute sind unsere Seminare und Bildungsurlaube sehr an den TeilnehmerInnen orientiert. Wenn wir Jugendlichen das Thema Globale Verantwortung anbieten, offerieren wir dazu ein Seminar zu Multi-Media-Techniken. So kriegen sie Politik angeboten und einen Spaß-Faktor. Die politische Bildung allein verkauft sich nicht mehr.

Haben Sie eine besondere Form der Bildungsvermittlung?

Uns reicht es nicht, dass die TeilnehmerInnen das Wissen abnicken, das wir vermitteln. Wir wollen, dass sie es in den Alltag hineintragen. In der Konsequenz kann das auch eine Wahlentscheidung sein.

Wie machen Sie das?

Wir lassen unsere drei Themen-Säulen Geschlechterdemokratie, Nachhaltigkeit und Menschenrechte in den Veranstaltungen spürbar werden. Etwa dadurch, dass Podien mit Männern und Frauen, mit Deutschen und MigrantInnen besetzt sind. Oder dadurch, dass wir TeilnehmerInnen Rabatt geben, die mit der Bahn kommen. Wir reden nicht nur von Nachhaltigkeit, sondern leben sie.

Hamburg hat am Sonntag einen neuen Senat gewählt. Was fordern Sie für die Erwachsenenbildung?

Die Kürzungen bei den Geschichtswerkstätten zurückzunehmen und bei den Bildungseinrichtungen aus dem feministischen und Migrations-Bereich. Für die Themen Nachhaltigkeit, Gender und Menschenrechte wünschen wir uns, dass diese in Schulen und Hochschulen verstärkt Einzug halten. Wichtig fänden wir zudem, dass auch Handels- und Handwerkskammer in ihren Ausbildungsplänen transdisziplinäreres Denken anlegen.