: berliner szenen No Chance
Chanel stinkt
No. 19 ist meins, seit Jahren, seit über einem Jahrzehnt, wenn ich es genau überlege. Aber in Zeiten, in denen, weil die Kohle knapp, der Geiz geil ist (endlich, möchte man als schwer unterbezahlte Redakteurin dieser Zeitung sagen): warum sollte da nicht ein ganz aktueller Duft die Erneuerung anderer, teurerer Garderobenteile überflüssig machen? Ich nehme an, aus genau diesem Grund, und nicht wie der PR-Text dichtet, damit ich „den Duft meiner Träume“ jetzt! endlich! definitiv! entdecke, hat das Haus Chanel das neue Parfum des Jahres 2003 gleich mal „Chance“ genannt.
Die Chance, wenigstens hier wieder Boden gutzumachen, der anderswo verloren geht, wollte wahrgenommen werden. Schließlich dürften sich die Umsätze in den Chanel-Boutiquen nun, wo SARS das Leben in den asiatischen Metropolen zum Erliegen bringt, auch nicht gerade rasant nach oben bewegen. Doch nach dem Selbstversuch mit „Chance“ lautet meine Prognose: Die Sache stinkt.
Am Anfang, zugegeben, duftet das neue Parfum von Chanel nach überhaupt nichts. Das nennen die Profiparfumeure dann die Kopfnote. Wenn die sich verflüchtigt hat, kommt die Herznote zum Vorschein. Und hier, wie schon gesagt, beginnt die Sache zu stinken. Nach dem immer gleichen, ekligen Geruch, der alle Parfums, die seit den 80er-Jahren entwickelt wurden, ob sie nun Joop, Jil Sander oder Armani heißen, begleitet. Wie schreibt sich dieses scheußlich riechende Zeug eigentlich chemisch? Schreibt es sich mit Totenkopf? Und warum riechen sämtliche Parfums danach? Wahrscheinlich ist es das Konservierungsmittel, das durchschlägt. Die Arschnote. Nennt das die Profiverbraucherin.
BRIGITTE WERNEBURG