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Archiv-Artikel

Die tote Frau im Bettkasten

Erst Liebe, dann Alkohol. Ein 43-Jähriger hat seine Frau erwürgt. Im Gericht ist sie präsent: auf T-Shirts ihrer Kinder

Die Polizei hatte Michael K. am späten Abend aufgesammelt. Der 43-Jährige stand betrunken und verwirrt neben einer Telefonzelle. „Ich habe meine Frau sehr geliebt“, sagt er. Aber dass er selbst dieser Liebe das Ende bereitet hat, das fängt K. wohl erst zu diesem Zeitpunkt an zu begreifen. Am Abend des 11. September vergangenen Jahres. Als die Beamten ihn ins Auto laden.

Michael K. hatte selbst bei der Polizei angerufen. Erst nach langen Stunden der Ratlosigkeit hatte er das getan. Nachdem er umhergeirrt ist in der Hohenschönhauser Wohnsiedlung. Nachdem er mit einem Kumpel viele Flaschen ausgetrunken hat. Der Freund war zum Supermarkt gelaufen und hatte zwei neue Bierkästen geholt. Er und K. hatten weitergetrunken. Dann hatte K. einen anderen Freund besucht. Es gab mehr Alkohol. K. wollte sich vom Hochhaus stürzen. Irgendwann wählte er die Nummer der Polizei.

Seit gestern steht Michael K. vor Gericht. Wegen Totschlag und versuchten Mordes muss er sich jetzt verantworten. An jenem Tag im September hatte es zunächst nicht danach ausgesehen, dass solche Verbrechen in Hohenschönhausen passieren würden. Es sah gut aus für Michael K. und seine Liebe. Morgens hatte er einige Gläser Weinbrand und Cola getrunken. Er hatte seine Frau besucht. Sie lebten getrennt, wegen der Probleme, die es zwischen ihnen beiden gab. Weil er zu viel trank. Jeden zweiten Tag eineinhalb Flaschen Whisky. Weil sie immer am Computer hing, ihre Internetbekanntschaften pflegte. Weil es zu viel angefangene Versprechen gab und abgebrochenes Vertrauen.

Bei dem Besuch an diesem Tag jedoch hatten sich Michael und Carmen K. zunächst gut verstanden. Seine Frau habe ihm angedeutet, dass es vielleicht doch noch etwas werden würde mit ihnen beiden, erzählte K. gestern der Richterin. Sie hatten miteinander geschlafen. Und was danach kam, kann Michael K. nur stammelnd und in zerrissenen Halbsätzen erzählen.

Seine Frau habe ihn plötzlich weggeschubst. Sie habe gesagt, die Beziehung sei endgültig beendet. Daraufhin habe er seinen Arm um den Hals seiner Frau gelegt und zugedrückt. „Ich wollte sie nicht mehr loslassen, weil ich sie liebte.“ Er weint. Seine tote Frau hat er dann in zwei Bettbezüge gewickelt und in den Bettkasten gelegt.

Was weiter in der Anklage steht, bestreitet Michael K. Als der 20-jährige Sohn am späten Nachmittag in der Wohnung eintraf, habe K. versucht ihn mit einem Computerkabel zu erdrosseln, heißt es da. Rico K. habe sich indes befreien können, worauf der Vater mit einem Brotmesser erneut auf ihn losgegangen sei. Der Sohn konnte fliehen und rannte zur Polizei. Aber erst Stunden später, als die Beamten schon wieder abgezogen waren aus der Wohnung, entdeckten Rico K. und seine zwei Jahre jüngere Schwester das Schlimme im Bettkasten: die Leiche ihrer Mutter.

Man kann sich schwer vorstellen, wie einer so etwas verkraften soll. Jetzt sitzt Rico K. seinem Vater im Gerichtsaal gegenüber und guckt ihn nicht an. Wenn er von ihm spricht, sagt er nur „mein Erzeuger“. Er legt so viel Verachtung in seine Worte, wie er kann. Das Verhältnis zwischen „seinem Erzeuger“ also und seiner Mutter sei schon lange schlecht gewesen. Rico K. schildert Tage voller Alkohol, Streit und unbezahlter Rechnungen. Von diesem Leben übrig geblieben ist jetzt ein gewaltiger Vorwurf. Zum Prozess haben sich Rico K. und seine Schwester T-Shirts mit dem Foto ihrer Mutter angezogen. Die Verhandlung wird am Dienstag fortgesetzt.

KIRSTEN KÜPPERS