: Die freie Szene ist der Billigmacher
betr.: „Raum für Experimente schaffen“, taz vom 26.2.2004, „Ganz ganz einzigartig in Europa“, taz vom 4.3.2004
Obwohl Bürgerbeteiligung von Schramma stolz reklamiert wird [...] und ein wichtiges Kriterium einer europaweiten Entscheidungsfindung ist, werden weder Fachleute noch Künstler noch Bürger gefragt, ob sie mit Bewerbungskonzept und dieser Personalfindung ohne Diskussion überhaupt ansatzweise einverstanden sind. Bürgerbeteiligung, wenn es ernst wird: Fehlanzeige. Entscheidungskultur: mangelhaft. Einbindung des Publikums: ungenügend.
Gleichzeitig wird – ebenfalls ohne Diskussion und Bezug zum Bewerbungskonzept – das Projekt der „Kleinen Philharmonie“ auf den Weg gebracht, schlappe 27 Millionen, die die Mehrheitsfraktionen im Kulturloch am Neumarkt verbauen lassen. [...] Ist das der Raum für Experimente, den Angela Spizig als Vertreterin der Grünen im Rat der Stadt schaffen möchte? [...]
Damit ist die Wichtigkeit der freien Szene und der ehrenamtlich mitarbeitenden Fachleute für die Bewerbung Kölns zur Kulturhauptstadt klar umrissen: Sie sind der Billigmacher und soweit nötig, auch noch der Sympathieträger. Eine Szene, die nach seriösen Berechnungen weit mehr als 70 Prozent aller Kulturangebote in Köln für einen verschwindend geringen Anteil am Kulturetat organisiert, wird mit warmen Worten bedacht und ansonsten ignoriert. [...] Wo bleibt die Strukturentwicklung, das Neu-Schaffen, die Vision ? Wo bleibt die Einbindung der Bühnen- und Museumskultur in die Alltags-Kultur der Straßen und ihrer Bürger? [...] Was unternimmt die Mehrheitsfraktion im Rat, um diese Prozesse zu unterstützen? [...]
Das Hinterzimmer-Strippen-Geklüngel der (Kultur)-Obrigkeiten kann nur von den „freien“ Bürgern der Stadt gestoppt werden.
Die freie Szene sollte ihre demutsvolle Billigmacher-Rolle (Motto: Wir liefern Qualität zum Null-Tarif!) abstreifen und als Sympathieträger einfordern, was Sonntagsreden und Bewerbungstexte versprechen. Mehr noch: das Heft in die Hand nehmen und mit allen die Zusammenarbeit suchen, die in Köln Kultur aus den Hinterzimmern holen und vom Kopf auf die Füße aller interessierten Bürger stellen wollen. Norbert Heckelei, Tanzkonferenz Köln
Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von LeserInnenbriefen vor. Die erscheinenden Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der taz wieder.