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Archiv-Artikel

Bonzenversorgungsgesellschaft

So muss man wohl BVG neu buchstabieren. Während die Belegschaft auf Lohn verzichten soll, werden die Chefs immer unverschämter. Grüne drohen nun mit Untersuchungsausschuss

VON UWE RADA

Gelohnt hat es sich nicht nur für die persönliche Referentin. „Innerhalb von nur fünf Monaten“, schimpft der grüne Verkehrspolitiker Michael Cramer, habe die Vertraute von BVG-Vorstandschef Andreas Graf von Arnim 28 Prozent mehr an Gehalt bekommen. Gelohnt hat es sich auch für die acht BVG-Direktoren. Sie bekommen zwischen 143.161 und 191.834 Euro Jahresgehalt, kritisierte der Rechnungshof in seinem jüngsten Bericht. Damit lägen sie teilweise über den Bezügen des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit, der rund 150.000 Euro verdient.

Für wen es sich nicht lohnt, dass sind die 12.000 Beschäftigten der Berliner Verkehrsbetriebe. Sie nämlich sollen durch Lohn- und Gehaltsverzicht zur Sanierung des defizitären Unternehmens beitragen. Dafür hatte sich bereits im vergangenen Dezember von Arnim persönlich auf einer Dienstversammlung stark gemacht. Im Vergleich zu anderen Wettbewerbern habe die BVG rund 30 Prozent Mitarbeiter zu viel und die verbleibenden würden rund 30 Prozent zu viel verdienen, so von Arnim damals. „Wir sind nicht wettbewerbsfähig.“ Darüber müsse nun mit den Gewerkschaften verhandelt werden.

Die Bonzen gewinnen dazu, die Beschäftigten sollen bluten. Eine solche Nachricht hatte der BVG-Vorstand noch im Januar heftig dementiert. Mehr noch. Die Führungsriege der Verkehrsbetriebe besaß sogar die Chuzpe, der Öffentlichkeit mitzuteilen, dass „Lohn- und Gehaltsreduzierungen auch für Führungskräfte notwendig“ seien. Ganz so also, wie es dem Offiziellsprech des vom Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) verordneten „Mentalitätswechsels“ entspricht.

Doch der wird nicht nur von der Freigebigkeit des Tempodrom-Senators Peter Strieder (SPD) Lügen gestraft, sondern auch von Mentalitätswechsler Wowereit selbst. Seit drei Tagen liegen die Zahlen der Direktorengehälter nun auf dem Tisch, sagt der Grüne Cramer. „Doch Wowereit schweigt.“ Nun droht Cramer, wie schon beim Tempodrom, auch in der BVG-Affäre einen Untersuchungsausschuss einsetzen zu wollen.

Während Wowereit am Wochenende schwieg, haben wenigstens die Abgeordneten des Wirtschaftsausschusses gehandelt. Einstimmig haben sie am Freitag der BVG eine Sparkur verordnet. Nach den fast neun Millionen Euro, die die BVG im vergangenen Jahr an Berateraufträgen vergeben hat, sollen es 2004 nur noch fünf Millionen sein. Alles, was darüber hinausgeht, muss sich BVG-Chef von Arnim durch den Aufsichtsrat genehmigen lassen. Auch Beratungsleistungen von jeweils mehr als einer halben Million Euro bedürfen der Zustimmung des Kontrollgremiums. Zudem empfehle der Wirtschaftsausschuss dem Aufsichtsrat, dass die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young alle im Jahr 2003 vergebenen Beratungsaufträge einer Sonderprüfung unterzieht.

Für Michael Cramer sind diese Maßnahmen allerdings noch nicht ausreichend. Er will auf der nächsten Abgeordnetenhaussitzung das Thema BVG in einer aktuellen Stunde behandelt wissen. Und er will den Regierenden Bürgermeister selbst fragen, wie es um den Mentalitätswechsel steht.

Dass es damit nicht allzuweit her ist, hat bereits Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) durchblicken lassen. „Ich bin grundsätzlich dafür, dass alle Mitarbeiter der BVG tätigkeitsadäquat und angemessen bezahlt werden sollen“, sagte Sarrazin, der auch im Aufsichtsrat der BVG sitzt und von den Erhöhungen der Managementgehälter gewusst haben muss.

Weniger zimperlich zeigte sich Sarrazin gegenüber den weniger Privilegierten. Die müssen nämlich immer noch „sparen bis es quietscht“. Zuletzt hatte sich Sarrazin nicht nur für Lohnkürzungen bei den BVG-Mitarbeitern stark gemacht. Er hat auch die Abschaffung des Sozialtickets betrieben.