: Slowenien: Unter Tito gab es eine Quote
VON HEIKE HAARHOFF
Dreizehn Jahre nach dem Austritt aus der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien und wenige Wochen vor dem Eintritt in die EU gehört Slowenien zu den Schlusslichtern der Beitrittsländer, gemessen an der Repräsentation von Frauen in der Politik. Lediglich ein Fünftel der Kandidaten bei Kommunalwahlen sind Frauen. Auf nationaler Ebene ist ihr Anteil ebenfalls gering: Im Parlament stellen Frauen knapp 13 Prozent der Abgeordneten. Die Parteichefs sind ausnahmslos männlichen Geschlechts, und Frauen als Ministerinnen sind eine Minderheit. Lediglich die Liberal-Demokratische Partei Sloweniens besitzt eine offizielle Frauenquote.
Die Soziologin Milica Antic-Gaber von der Universität Ljubljana erforscht seit Jahren die Gründe für die geringe Beteiligung von Frauen in den Entscheidungspositionen der Politik in ihrem Land. Neben dem Einfluss der katholischen Kirche, von tradierten Frauenbildern und „institutionellen Barrieren“ wie Wahlsystem oder Rekrutierungsmechanismen der Parteien, die den Zugang von Frauen in die Politik nicht eben begünstigten, macht Antic-Gaber das Problem vor allem in der gesellschaftlichen Wahrnehmung aus: „In diesem Land herrscht der Glaube, dass Frauen und Männer in der Politik gleich seien und es folglich keiner speziellen Förderung von Frauen bedürfe.“
Die politische Kultur Sloweniens zeichne sich durch einen starken Glauben an politische Rechte aus, die jedes Individuum in Anspruch nehmen könne – oder auch eben nicht. Entsprechend schwach sei der Einfluss von Frauenorganisationen, die die Förderung von Frauen anmahnen – sie werden von der Mehrheit der Bevölkerung für schlicht überflüssig gehalten. Slowenien, so das Fazit der Wissenschaftlerin, sei weit entfernt von den postmodernen Gesellschaften Europas, in der die Frage von Geschlechtergleichheit zumindest diskutiert werde.
Bemerkenswert dabei ist, dass es während des sozialistischen Regimes durchaus einen hohen Frauenanteil in der Politik gab: Unter Tito hatten Frauen rund ein Drittel der höheren Parteiämter inne. Nicht jedoch aufgrund eigener Initiative, sondern, so Antic-Gaber, weil „ein paar enthusiastische Kommunisten das für wünschenswert hielten und entsprechende Quoten einführten“.
Nach der Unabhängigkeit seien diese Frauen im Nu aus der Politik gedrängt worden. Ihnen wurde vorgeworfen, das alte Regime zu verkörpern und blind die Parteilinie vertreten zu haben; ein Vorbild für die heranwachsende Frauengeneration waren sie somit nicht. Diese interessiert sich mehr für ihre individuellen beruflichen Karrieren denn für die aktive Teilnahme am politischen Leben. „Die Frauen fürchten vor allem, dass sie ihren Job verlieren, wenn sie für ein paar Jahre aussteigen, um Politik zu machen“, sagt Antic-Gaber. Anders sei nicht zu erklären, weshalb einerseits Frauen an Universitäten und in der Wirtschaft erfolgreich seien und in Umfragen immer wieder wirtschaftliche Unabhängigkeit als eines ihrer höchsten Ziele definierten (die Erwerbstätigenquote von Frauen liegt bei mehr als 40 Prozent, Frauen in Leitungspositionen sind keine Ausnahme) und andererseits den Gang in die Politik scheuten.