: Der Dandy von der Stange
Die Neue Nationalgalerie Berlin huldigt dem Modedesigner Giorgio Armani mit einer Ausstellung. Leider ohne Richard „Gigolo“ Gere, sondern in einer Präsentation des Theaterstars Robert Wilson
von BRIGITTE WERNEBURG
Auch wenn Richard Gere 1980 bei den Dreharbeiten zu „American Gigolo“ – dem Film, der ihm und Giorgio Armani zu Weltruhm verhalf – etwas verunsichert fragte: „Wer spielt eigentlich in dieser Szene, ich oder das Jackett?“ – ohne Gere wären die edlen Sakkos von Armani doch nur die halbe Miete wert gewesen. Dieser Verdacht bestätigt sich in der Ausstellung „Giorgio Armani“, die das Solomon R. Guggenheim Museum, New York, in der Neuen Nationalgalerie Berlin veranstaltet, in Kooperation mit dem lokalen Kunstgewerbemuseum.
Keine Frage, Giorgio Armani hat die Mode Ende der 70er-Jahre revolutioniert. Es bedeutete damals eine Sensation, dass sich Männer jenseits von Jeans und Sportswear nicht nur zwanglos, sondern zugleich elegant anziehen konnten. Und es machte tiefen Eindruck, dass auch die Frauen von dieser neuen, durchaus maskulinen Lässigkeit profitierten – in Kostümen, Hosen und Jacketts, die eine Vorstellung davon gaben, wie der seriöse, aber keineswegs strenge modische Auftritt einer berufstätigen Frau aussah.
Doch indem Armani den Jacketts die Versteifungen und Polster entnahm, das Futter reduzierte, die Knöpfung lockerte und generell die Proportionen veränderte, wurde der Träger dieser Jacketts ganz wesentlich für ihre Wirkung. Denn wo früher die Steifheit des Anzugs dem Körper Form gegeben hatte, musste nun der durchtrainierte, muskulöse Körper dem Anzug Form geben. Genauso wie der perfekte Körper der Frauen, die in Armanis – nur durch ihre Perlenstickereien vor der völligen Transparenz bewahrten – Chiffonabendkleidchen glänzten, der einzige Halt war für diese fast farblosen, in Grau, Bleu, Rosé oder Beige changierenden, schlichten Hängerchen und trägerlosen Schläuche.
Die schönen Menschen also, die Models und Hollywoodstars, gaben und geben Armanis minimalistischen Schnitten ihre Gestalt, ihr Gesicht und vor allem ihren Sexappeal. Dass besonders Hollywoodschauspieler Armani machten, liegt zweifellos an ihrem Vermögen, weit über den Normalfall hinaus Präsenz zu zeigen. So wie viele Filme aus Los Angeles einfach durch die schauspielerische Leistung überzeugen, die Stars wie Robert de Niro, Jody Foster oder Jack Nicholson bieten, so überzeugte Armani an und dank Dustin Hoffman, Julia Roberts oder John Travolta – im Endeffekt die ganze Welt.
Denn wie der Kurator der Ausstellung, Germano Celant, in seinem Katalogtext zutreffend schreibt: Mit Armani wurde der allgemeine Dandy, der mass dandy, geboren. (Der übrigens dem Guggenheim Museum, als Armani dort vor drei Jahren gezeigt wurde, die erfolgreichste Ausstellung seiner gesamten Geschichte bescherte.)
Dass die Wirkung von Armanis Kleidern so stark von den Menschen abhängt, die sie tragen, spricht nicht gegen sein Design, im Gegenteil: Die viel und zu Recht gepriesene Modernität seiner Mode rührt aus ebendiesem Umstand her. Dass Armani aber ohne Richard Gere nur noch teuer, blass, edel, leblos und ungeheuer elegant ausschaut, spricht gegen das Ausstellungsdesign von Bob Wilson. Natürlich ist es keine einfache Aufgabe, fast 500 Kostüme zu präsentieren. Aber dem texanischen Theaterstar, dem das Berliner Ensemble gerade eine „Leonce und Lena“-Aufführung samt Herbert-Grönemeyer-Songs verdankt, hätte schon mehr einfallen können als ein überwältigend schwarzer Raum, in dem sich die Kleider aneinandergereiht in einer endlosen Schlangenlinie dahinwinden; jedes Teil immer schön mit einem Spot bestrahlt, der es freilich kaum erlaubt, die entsprechenden Daten zu den einzelnen Kleidungsstücken zu lesen.
Vollkommen fatal wird die Inszenierung, wenn sich Wilson vor der entscheidenden Frage nach dem Verhältnis von Träger und Garderobe drückt und Armanis Abendkleider, Anzüge und Kostüme über Puppenkörper stülpt, die exakt den Kleidern nachgezeichnet sind und weder Beine, Arme noch Kopf haben. Nachgerade haltlos also schweben die Kreationen im Raum, sortiert nach Abendkleidung und Casual Wear, nach asiatischen und arabischen Einflüssen und vor allem nach Farben. Letztere Idee ist spätestens dann ein Desaster, wenn man die Grau- und Brauntöne hinter sich hat und beim Schwarz landet. Plötzlich meint man sich in einem einzigen Trauerzug zu bewegen und wundert sich eigentlich nur, warum die sizilianische Blaskapelle nicht aufspielt.
Man erinnert sich an das rauschende, glamouröse Fest, als das vor fast zehn Jahren Gianni Versaces „Signatures“-Ausstellung im Kunstgewerbemuseum auffiel, und fragt sich, warum man nun auf einer Beerdigung gelandet ist. Armani: wirklich schon so klassisch, so tot?
„Giorgio Armani“. Bis 13. Juli, Neue Nationalgalerie Berlin. Engl. Katalog 39 €