■ Polen im Irak. Reaktionen auf den Kommentar und die Artikel zum Thema : Eine gute Arbeitsbasis?
betr.: „Großmacht von Amerikas Gnaden“ von Gabriele Lesser, „Polen wird Besatzungsmacht“, taz vom 5. 5. 03
Der deutsche Außenminister Fischer ist auf das ihm zukommende Maß zurechtgestutzt, die deutsche Nahostpolitik liegt zu Recht in Trümmern. Während Polen für die Befreiung des Irak an der Seite der USA gekämpft hat, gab es in Deutschland, dem Lande, das den Holocaust zu verantworten hat, antiamerikanische Massendemonstrationen unter Beteiligung von vernichtungsantisemitischen Gruppen wie der Hamas. Das wird im Gedächtnis bleiben. Deutschland wird mit einem an zivilisatorischen Normen sich orientierenden Polen als Gegengewicht in der EU keine gewohnt völkische, antiamerikanische Politik betreiben können. Polen darf feiern. Es hat zur richtigen Zeit eine richtige, wegweisende Entscheidung getroffen. JÖRG RENSMANN, Berlin
Polen wurde schon mal von seinen europäischen Verbündeten und hier besonders von Frankreich im Stich gelassen, daher sollte es niemanden wundern, dass Polen sich nun an die USA lehnt. Im Irak geht es nun nicht um Prestige, sondern die Möglichkeit am Wiederaufbau des Iraks zu verdienen, auch wenn die polnische Beteiligung von den USA finanziert wird. Abgesehen davon, war Saddam ein Diktator, der abgesetzt werden musste, auch wenn diese moralische Komponente des Irakkrieges für die USA nur eine unbedeutende Rolle gespielt hat. Deutschland und Frankreich hätten auch vom Irakkrieg profitieren können. Eine symbolische Unterstützung hätte da genügt. Für Deutschland und Frankreich hätte es doch klar sein müssen, dass die USA mit oder ohne fremde Unterstützung den Irak angreifen werden.
Was nun den EU-Beitritt von Polen anbelangt, so ist es doch so, dass die EU die neuen Mitglieder ebenso braucht wie die neuen Mitglieder die EU. Das ist eine Sache, von der alle profitieren, sonst wäre die EU – und hier besonders Deutschland – nicht bereit Milliarden Euro dafür auszugeben. Diesen Ausgaben stehen auf lange Sicht Milliarden von Einnahmen gegenüber.
Im Übrigen gelingt es England ziemlich gut auf beiden Hochzeiten zu tanzen. MATTHIAS MROZOWSKI, Essen
Die USA haben vom alten Europa gelernt: Teile und herrsche. Das ist eine französische Sichtweise römischer Politik. Die USA strafen die Widerborstigen mit Zuckerl für die Willigen. Aber gerade die Polen werden mehr als nur Verständnis haben für den Artikel 26 des Grundgesetzes (keine Angriffskriege, keine Vorbereitung dazu) ihres einst kriegslüsternen Nachbarn. Das ist eine gute Arbeitsbasis. Eine kluge deutsche Politik sollte keine Zeit mit Aufregung über Polen verschwenden, sondern die Beziehungen zu Polen nutzen, in diesem traurigen Spiel Einfluss zu gewinnen.
GÖTZ KLUGE, Tokio, Japan
Zwischen Polen und Europa stehen jetzt die Toten des Irak. Es ist unmöglich, mit diesen gernegroßen Mordgehilfen an Europa weiter zu bauen. Leider hat vor allem Deutschland zu sehr gedrängt die Polen in die EU aufzunehmen. Das wird man noch bereuen. Es bleibt den Kriegsgegnern in Europa nur eines, nämlich sich von der alten Europakonstruktion zu lösen und eine andere, verkleinerte, aber homogenere Form der Zusammenarbeit anzustreben. Hoffentlich reagiert auch Russland sauer auf dieses implizite Näherrücken Amerikas an seine Grenzen.
RITA GLOOR, Feigères, Frankreich
„Einmal zu den Siegern gehören.“ Dieser Satz und der ganze nachfolgende Artikel stinkt vor deutscher Herablassung gegenüber Polen: Jaja, die ewigen Loser. Haben im Zweiten Weltkrieg schon nix gebracht und so zahlen sie es uns heim. Dieser Artikel in der „linken“ deutschen Presse bestätigt die Annahme der Polen, dass sie von der deutsch-russischen Achse wenig Gutes zu erwarten haben. MICHAEL HUBER, Berlin
Der Kommentar von Gabriele Lesser in der taz vom Montag ist für mich ein Beispiel eines um sich greifenden deutschen Nationalismus. Zwilling des Nationalismus ist nämlich der Konkurrenzneid zu großen Nachbarnationen und die Herabsetzung anderer Völker. Gabriele Lesser fabuliert „vom alten Traum der Polen, einmal zu den Siegern zu gehören“. Natürlich durch nichts belegt. Gabriele Lesser spricht von Polens „selbstherrlicher Großmachtrolle im Irak“. Wieso selbstherrlich? Weil „wir Deutschland“ nicht gefragt wurden?
Nun, Dänemark zum Beispiel ist auch unser Nachbar, wurde auch vom Deutschen Reich überfallen und ist auch „selbstherrlich“ unter seiner Rechtsregierung fest an der Seite der Bush-Krieger. Warum wird Dänemark nicht so angemacht? Weil es gegen Dänen nicht so viele halbwache Vorurteile gibt wie gegen Polen?
Schon seit Beginn der Irak-Krise gibt es auch in der taz sehr merkwürdige Töne, die für mich auf einen Grundakkord zurückgehen: Krieg fördert Aggression und Nationalismus, auch bei uns KriegsgegnerInnen. Gelle? WERNER HAJEK, Heide/Holstein
betr.: „Kritik am deutschen Spielverderber“ (Polen möchte Deutschland an der Irak-Friedenstruppe beteiligen), taz vom 7. 5. 03
Die Untertänigkeit der polnischen Politiker den USA gegenüber ist beschämend. Sie sehen gar nicht, dass sie von den USA zynisch und instrumental ausgenutzt werden (so wie einst auch Saddam Hussein), um den „alten“ Europäern ihren Platz in der Reihe zu zeigen. Bushs Gerede, Polen sei der beste Freund von Amerika, nimmt ihnen das Gefühl für die Realität. Polen will doch in die EU und nicht nach Amerika, verhält sich aber wie ein Ehebrecher, und zwar bevor die Ehe geschlossen wurde.
Dieses Handeln finde ich unehrlich.
JERZY CHICO, Ogrodowa, Polen
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