: „Bei Ole heißt Mensch automatisch Mann“
Unsere Verfassung verpflichtet zu „gleichberechtigter Frauenbeteiligung im Senat“, erklärt GAL-Abgeordnete Verena Lappe im taz-Interview. Staatsgewalt dürfe Frauenpolitik nicht einfach durch Familienpolitik ersetzen. Sie will nun prüfen, ob frauenfreundliche Politik einklagbar ist
taz: Sie haben anlässlich des gestrigen Internationalen Frauentages Bürgermeister Ole von Beust vorgeworfen, er verfehle den Auftrag der Hamburgischen Verfasung, wenn er weiter nur mit Männern regiert. Schreibt Hamburgs Verfassung denn Frauen im Senat vor?
Verena Lappe: So direkt nicht. Aber der Bürgermeister muss in irgendeiner Form beweisen, dass er vorhat, Artikel 3 der Hamburgischen Verfassung umzusetzen. Dieser besagt seit 1996, dass die Staatsgewalt für die „rechtliche und tatsächliche“ Gleichstellung zu sorgen hat. Und sie hat auch darauf hinzuwirken, dass Frauen und Männer in „öffentlichen Beschluss- und Beratungsgremien gleichberechtigt vertreten sind“. Eine Frau allein im Senat ist keine „gleichberechtigte Vertretung“, selbst wenn sie Zweite Bürgermeisterin wird. Ich sehe bei von Beust keine wirklichen Anstrengungen, hier für mehr Frauenbeteiligung zu sorgen.
Aber für die neue Besetzung des Bildungsressorts sucht Ole von Beust doch eine weibliche Besetzung.
Nein. Er sagt, er sucht Menschen, die dafür qualifiziert sind, und tut dabei so, als ob das Kriterium Frau die Qualität mindern würde. Er sucht nach einem Menschen – und das sind bei der CDU automatisch Männer. Dabei gibt es genügend qualifizierte Frauen, auch in christdemokratischen Kreisen, Maria Böhmer aus Nordrhein-Westfalen zum Beispiel wäre durchaus für das Bildungsressort eine geeignete Kandidatin.
Geht es bei Artikel 3 nur um Qualität?
Nein. Das entscheidende für mich ist auch die Absage des Senats an eine gezielte Frauenpolitik. Stattdessen gibt es nur noch Familienpolitik, so als ob die Gleichberechtigung von Frauen in allen anderen Bereichen längst erfüllt wäre. Ich habe mir am Donnerstag beim Senatsempfang zum Frauentag die Rede von Senatorin Birgit Schnieber-Jastram angehört. Dort hat sie die meiste Zeit nur über Männer und ihre Vaterrolle gesprochen. Nicht, dass ich das nicht wichtig fände, aber wichtige Frauenthemen wie das Thema Gewalt gegen Frauen kamen gar nicht mehr vor. Die Senatorin entfernt sich mit jedem Senatsempfang weiter von den Frauen.
Es sind ja auch nur 13 weibliche Abgeordnete in der CDU-Bürgerschaftsfraktion. Ist es nicht schlicht so, dass sich einfach wenig Frauen für diese Partei interessieren und man ihr daraus keinen Vorwurf machen kann?
Doch. Wir als GAL haben eine 50-prozentige Quote. SPD und Grüne haben Mentoring-Programme, die dafür sorgen, das junge Frauen gefördert werden. Bei der CDU sind das alles noch Lippenbekenntnisse. Die haben diesmal bei der Listenaufstellung bis Platz 33 auf eine Quote geachtet und danach einfach damit aufgehört. Das war ein Fehler. Wenn jetzt für die Senatorin Birgit Schnieber-Jastram auf Platz 64 ein Mann nachrückt, sinkt die Frauenquote der CDU unter 20 Prozent. Das ist die schlechteste seit 15 Jahren. Die haben ja sehr gute Frauen unter den Abgeordneten – die haben blos keine Macht, weil sie zu wenige sind.
Frauen machen nicht automatisch frauenfreundliche Politik.
Nicht zwangsläufig, das stimmt, wenn wir zum Beispiel an Maggie Thatcher denken. Trotzdem haben Frauen einen anderen Zugang zur Politik. Wir setzen uns deshalb dafür ein, das unabhängig vom Parteibuch der Blick von Frauen gleichberechtigt repräsentiert sein muss.
Dieser Senat baut Krippenplätze ab und wird trotzdem wiedergewählt.
Ja. Aber die Frauen, die dies betrifft, sind nicht unbedingt die größte Wählergruppe. Das sind die über 65-Jährigen, für die diese Themen vielleicht nicht mehr so von Bedeutung sind.
Also muss der Bürgermeister für frauenfreundliche Politik sorgen. Hat dieser Artikel 3 der Verfassung nur Appellcharakter oder ist das juristisch einklagbar?
Das werde ich prüfen. Es müsste Mindestkriterien geben, um diesem Verfassungsauftrag gerecht zu werden. Wenn der Senat explizit sagt, er macht keine Politik für Frauen, sondern nur für Familien, könnte dies gegen Artikel 3 verstoßen. Ob das möglicherweise einklagbar ist, möchte ich klären.
Könnte die CDU dann nicht einfach Artikel 3 wieder ändern?
Nein. Dafür bräuchte die CDU eine Zweidrittelmehrheit, die sie Gott sei Dank nicht hat.
Fragen: KAIJA KUTTER