: Nach dem Hass
01 90-Ansagen und gewöhnliches Rockgeschäft: Fred Durst und seine New-Metal-Band Limp Bizkit verzichten bei ihrem Auftritt in der Columbiahalle darauf, die fiesen Säue von der Leine zu lassen
VON GERRIT BARTELS
Limp Bizkit dürften bald ein großes, existenzielles Problem bekommen. Lange Jahre mehrte die Band mit ihrem feist-fiesen Vorturner Fred Durst als „the most hated band in rock“ ihren Ruhm, was sie durchaus als Auszeichnung verstand. Die Anklageschrift der Feingeister von Pop und Rock gegen die Band aus Jacksonville, Florida jedoch ist lang: Sie wurden für den Mini-Riot in Woodstock 1999 verantwortlich gemacht, als sie die Kids dazu aufriefen, jetzt endlich mal Feuer auf dem Gelände zu machen; sie gelten als unverbesserlich homophob, nachdem sie sich über George Michaels unfreiwilliges Coming-out lustig gemacht hatten; sie sind sexistisch, latent rassistisch, stumpf, blöde Ballermänner, der letzte White-Trash-Dreck.
Inzwischen aber stehen Limp Bizkit mit der Ballade „Behind Blue Eyes“, einer Coverversion eines The-Who-Titels aus dem Jahr 1971, ganz vorn in den Charts, werden von Thomas Gottschalk zu „Wetten, dass …“ eingeladen und singen Songs darüber, dass sie es leid sind, so ausdauernd gehasst zu werden. Da hat also ein ordentlicher Imagewechsel stattgefunden, zumal auch ihr jüngstes Werk „Results May Vary“ sich weniger wie ein New-Metal- als ein High-Speed-Rockalbum ausnimmt.
Dieser Imagewechsel aber scheint das White-Trash-Stammpublikum der Band abzustoßen und macht ihnen besagte Pop-und-Rock-Feingeister auch nicht gewogener: Die Band, die vor einem Jahr noch in der Waldbühne spielen sollte, stellt „Results May Very“ in der mindestens fünfmal so kleinen, dafür aber restlos ausverkauften und viel zu vollen Columbiahalle vor – der Hassfaktor ist ausgereizt und die Balladenliebhaber, die seinerzeit plötzlich auch eine Band wie Soundgarden wegen „Black Hole Sun“ mochten, sind entweder in die Jahre gekommen, ganz ausgestorben oder haben Nachwuchsprobleme.
So sind dann auch nur die ganz Treuen da. Die, denen es egal ist, ob sie von ihren Freunden und Freundinnen scheel angeschaut werden, nur weil sie Limp-Bizkit-Fans sind, so scheel, als würden sie zu den Böhsen-Onkelz gehen. Früher hätte man vielleicht gesagt: Modernisierungsverlierer. Heute aber, da es auch keine Modernisierungsgewinner mehr gibt, sind es eben die typischen New-Metal-Kids mit ihren Piercings, Basecaps, mal mehr, oft weniger makellosen Oberkörpern und den XXL-Jeans; die Kids eben, die Kylie Minogue brauchen, um Fred Durst gut und provokant zu finden.
Wer aber nun gedacht hat, Durst würde in der Columbiahalle die richtig fiese Sau rauslassen, dürfte an diesem Abend enttäuscht gewesen sein: Durst beschränkt sich auf 01 90-Ansagen, auf „Berlin!“ und „Wie gut, endlich in Berlin zu sein“, „tolles Publikum!“, „Limp Bizkit is in the house!“. Ansonsten zeigt er ganz korrekt nur während der Songs, was für ein agiler Frontmann er ist, der zu hüpfen, zu schlüpfen, die ersten Reihen abzuklatschen und sehnsüchtig in die letzten zu schauen vermag. Eine Frau mit einem Erdbeer-T-Shirt, die gleich zu Beginn zum Limp-Bizkit-Hit „My Way“ auf die Bühne kommt, mit Durst um die Wette springt und ein bisschen mit ihrem Busen wedelt, ist da schon das höchste der miesen Gefühle. Ach, wie pornografisch-sexistisch!
Der Rest ist lautes, vor allem basslastiges, nicht selten aber auch melodiöses Geballer, das zwischen den Songs immer wieder neu programmiert werden muss, manchmal so verdächtig lang, dass man den Eindruck bekommt, hier seien neben Durst und dem DJ ansonsten nur Musikerdarsteller am Werk.
Dem Publikum ist das egal. Das freut sich über Hits wie „Rollin“, „Eat You Alive“ oder „Take A Look Around“, das singt, klatscht und hüpft auf Aufforderung mit, das versteht den Witz mit Nirvana und den ersten Takten von „Come As You Are“ („We are bigger than nirvana“), und das ist natürlich selig, als endlich „Behind Blue Eyes“ kommt. Bei diesem Song aber wird endgültig klar: Limp Bizkit gibt es in dieser Form und als prototypische New-Metal-Band nicht mehr lange. Wahrscheinlich löst Durst die Band auf, lernt Gitarre zu spielen und tourt in den Spuren eines Everlasts als geläuterter Singer/Songwriter durch die Lande und singt: „It’s a fucked up world, a fucked up life, fucked up dreams, it’s all fucked up.“