piwik no script img

Archiv-Artikel

Dreiecksverhältnis auf der Kippe

Das heutige Treffen der Mitglieder des Weimarer Dreiecks – Polen, Deutschland, und Frankreich – steht ganz im Zeichen des jüngsten Krachs wegen Irak. Dennoch soll ein Neubeginn versucht werden. Doch das wird ohne klare Worte nicht gehen

aus Wrocław GABRIELE LESSER

So viel Streit war nie. Wenn sich heute der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder und die Staatspräsidenten von Frankreich und Polen, Jacques Chirac und Aleksander Kwaśniewski, im westpolnischen Wrocław treffen, wird jeder eine gehörige Portion Wut im Bauch haben. Das „Weimarer Dreieck“, das vor gut zehn Jahren von Deutschland, Polen und Frankreich gegründet wurde, sollte eigentlich der besseren Zusammenarbeit zwischen den drei Ländern dienen. Doch die Staats- und Regierungschefs nahmen das Forum nie besonders ernst. Die Treffen verliefen in einer Atmosphäre gelangweilten Desinteresses, das hinter schönen Worten, Kutschfahrten und „Familienbildern“ strahlender Politiker verborgen wurde. Heute steht das „Weimarer Dreieck“ vor dem endgültigen Aus oder – nach einem Krach zwischen allen Beteiligten – dem Neubeginn innerhalb der EU.

Tatsächlich haben fleißige Beamte aus den drei Ländern nicht nur schon die „Gemeinsame Erklärung über die Zukunft des Weimarer Dreiecks im Rahmen der Europäischen Union“ vorbereitet. Sie haben sich auch ein Programm für den Neubeginn überlegt. Künftig sollen sich neben der Staats- und Regierungschefs, den Außen- und Verteidigungsministern auch die Finanz- und Arbeitsminister der drei Staaten treffen. Sogar die drei Parlamente sollen einmal im Jahr zusammen tagen. Zunächst will man sich trilateral über die künftige Agrar-, Struktur- und Verkehrspolitik in der EU austauschen und Reformvorschläge ausarbeiten, die von allen dreien akzeptiert werden könnten.

Aus der deutsch-französischen Lokomotive der EU soll ein Dreigespann werden. Doch ohne den politischen Willen zu einem Neubeginn wird das Weimarer Dreieck nicht aus seiner Bedeutungslosigkeit herausfinden. Die äußeren Bedingungen für einen Neubeginn sind schlecht: Am Nachmittag ist für das Gespräch zwischen den drei Staats- und Regierungschefs gerade eine gute Stunde reserviert, und beim festlichen Abendessen mit in- und ausländischen Gästen auch nur knapp anderthalb Stunden.

Kann man in so kurzer Zeit einen Streit ausräumen, der sich über Wochen hin aufgebaut hat? Beleidigt und enttäuscht voneinander sind alle drei. Die Polen sind beleidigt über den französischen Präsidenten Chirac, der die Polen im Februar als „infantil“ und „unerzogen“ gescholten hatte. Zuvor hatte Polen auf Bitten Großbritanniens und Spaniens den „Brief der acht“ unterzeichnet, eine Solidaritätsadresse europäischer Staaten an die USA, von der weder Brüssel noch Polens Partner im Weimarer Dreieck etwas wussten. Danach hatte es den ersten großen Krach gegeben. Wenn Polen die Partner im Weimarer Dreieck nicht infomiere, sei diese Form der Zusammenarbeit sinnlos, empörten sich die Franzosen.

Enttäuscht sind die Polen aber auch über die Deutschen, die ihr Angebot, das deutsch-polnisch- dänische Korps aus Szczecin (Stettin) zur Friedenssicherung in den Irak zu schicken, ablehnten. Polen glaubte, mit diesem Vorschlag auch deutschen Interessen zu dienen. Allerdings hatte der polnische Verteidigungsminister seinen öffentlichen Vorschlag zuvor nicht mit den Partnern in Berlin abgestimmt.

Das heutige Treffen war vor Monaten geplant worden. Eigentlich sollten die Bilder vom Zusammensitzen der drei Staats- und Regierungschefs einen positiven Akzent vor dem polnischen EU-Referendum am 7. und 8. Juni setzen. Zwar wird es die Bilder geben. Doch ein Ausweg aus der verfahrenen Situation ist nur möglich, wenn die drei Politiker Tacheles reden. Gut ist immerhin, dass die Interessengegensätze offen zutage liegen. Das ist schon der halbe Weg zur Lösung.